Natürlich wäre es wunderbar, wenn man Bücher immer im Original, in der Sprache der Autorin oder des Autors lesen könnte, damit die Formulierungen getreu den Gedanken und Ausdrucksweisen abgebildet werden und möglichst wenig verloren geht. Aber wir können natürlich nicht alle Sprachen genauso gut wie unsere eigene Muttersprache sprechen und verstehen. Selbst als ein sprachbegabter Mensch oder jemand, der zwei- oder mehrsprachig aufgewachsen ist, ist der Bezug zu einem Sprachraum immer größer als zu einem anderen. Was also tun?
Zum Glück gibt es Übersetzungen! Es werden allerdings nicht alle Bücher übersetzt. Die Voraussetzung ist, dass ein Verlag an den Erfolg des Buches in einem anderen Sprachraum glaubt. Dafür ist es von Vorteil, dass die Autorin oder der Autor bekannt und vielleicht sogar schon erfolgreich veröffentlicht worden ist. Ein Buch, welches es im eigenen Land auf eine der Bestsellerlisten schafft, könnte also gute Chancen haben, übersetzt zu werden.
Zur (Vor-)Geschichte des „Magischen Realismus“ in Lateinamerika
Bei der Autorin Isabelle Allende ergibt sich diese Frage schon lange nicht mehr. Sie veröffentlicht seit den 1980er-Jahren. Mit ihrem ersten Buch „Das Geisterhaus“, welches 1982 in ihrem Heimatland Chile und 1984 bei uns in Deutschland erschienen ist, landete sie einen bahnbrechenden Erfolg. Die persönliche und zum Teil autobiografische Aufarbeitung des Militärputsches in Chile im Jahr 1973 sprach das Interesse einer großen Anzahl Lesender in Lateinamerika, Amerika und Europa an. Daraus ergab sich ein Markterfolg, der zu weiteren Übersetzungen führte. In der Zwischenzeit wurde ihr Erstlingswerk in mehr als 40 Sprachen übersetzt.
Bereits 1967 hatte ihr kolumbianischer Kollege Gabriel García Márquez seinen Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ auf Spanisch veröffentlicht (deutsch 1970). Dieser brachte ihm weltweite Anerkennung ein. 1982 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Die Militärdiktaturen der 1960er- bis 1980er-Jahre zwangen zahlreiche Autoren in Süd- und Mittelamerika ins Exil. Ihre Rückkehr veränderte die kulturelle Landschaft Lateinamerikas tief greifend und führte zu einer langen Phase der Aufarbeitung dieser gewaltsamen Epoche. Diese Literatur eroberte die Lesenden auf allen Kontinenten und trug zur Entstehung eines spanischsprachigen Buchmarktes im 20. Jahrhundert bei. Außerdem setzte sich dabei eine neue Stilrichtung endgültig durch: Der Realismus wurde durch die Fantastik ergänzt. Man spricht bei diesem Genre vom „Magischen Realismus“. Bereits seit ca. 1950 werden dessen lateinamerikanischer Ausprägung Autoren wie Augusto Roa Bastos aus Paraguay, Jorge Luis Borges, Ernesto Sabato und Julio Cortázar aus Argentinien, Carlos Fuentes aus Mexiko, Mario Vargas Llosa aus Peru und Pablo Neruda aus Chile zugeordnet.
Zweisprachige Lesung
Mit der zweisprachigen Lesung soll neben dem Inhalt der Texte auch ein Sprachgefühl vermittelt werden, das sich durch Tempo, Ausdruckskraft, Sprachmelodie und Betonung ergibt. Lesen aktiviert die Fantasie, doch Vorlesen aktiviert zusätzlich ein Gefühl von Geborgenheit. Vorlesen verbessert die Konzentration und fördert die Empathie, in diesem Fall auch für eine andere Sprache und eine fremde Kultur.
Am 09.10.2024 ab 18.00 Uhr wird aus dem aktuellen Buch von Isabel Allende: „El viento conoce mi nombre“ – „Der Wind kennt meinen Namen“ aus dem Jahr 2023 in der Stadtbibliothek Koblenz vorgelesen.
Es lesen Luz-Stella Bourmer und Margreth Sille
Um Anmeldung wird gebeten auf isso.de/blog/2024/08/19/zweisprachige-lesung-…
Autorin:
Isabel Allende, geboren 1942 in Lima, ist eine chilenisch-amerikanische Schriftstellerin, die als Journalistin arbeitete und sich für Frauenthemen engagierte. 2018 wurde sie – und damit erstmals jemand aus der spanischsprachigen Welt – für ihr Lebenswerk mit der National Book Award Medal for Distinguished Contribution to American Letters ausgezeichnet. Isabel Allendes gesamtes Werk ist im Suhrkamp Verlag erschienen.
Übersetzerin:
Svenja Becker, geboren 1967 in Kusel (Pfalz), studierte Spanische Sprach- und Literaturwissenschaft. Sie lebt als Übersetzerin (u.a. Allende, Guelfenbein, Onetti) in Saarbrücken.
Weitere Informationen:
Link zum ISSO Blog Beitrag über Empathie: https://isso.de/blog/2022/06/05/empathie-als-faehigkeit-neu-entdecken/