Im 75. Jahr des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland feiert die Büchergilde Gutenberg ihren 100. Geburtstag. Es gibt diese Buchgemeinschaft also bereits seit den wilden 20er-Jahren. Gegründet in Leipzig 1924, ging es bereits 1926 nach Berlin, wo sich Künstler, Theaterleute und Autoren trafen, um im Trubel der Hauptstadt die Düsternis des Ersten Weltkrieges zu vergessen. Von Augsburg kommend, traf auch Bertolt Brecht genau in diesem Jahr in Berlin ein. Seine Werke wurden immer wieder durch die Büchergilde verlegt und illustriert, so auch 2023 eine Werksausgabe mit Illustrationen von Hans Ticha.

Die Idee der Büchergilde – ein Bildungsauftrag

Bücher sind für alle da, so hätte ein Motto der Büchergilde aus der damaligen Zeit heißen können, wahrscheinlich passt das auch heute noch. Bei der Gründung in Leipzig ging es aber vor allem darum, neben den Autoren auch die handwerklich arbeitenden Menschen für Bücher zu interessieren. Vor 100 Jahren gab es deutlich mehr Handwerksberufe als in der heutigen Zeit, wo die Produktion, insbesondere auch von Büchern, weitestgehend automatisiert ist. Setzer, Drucker, Buchbinder waren gängige Handwerksberufe, die an der Produktion eines Buches beteiligt waren. Die Ambitionen der aus dem Gewerkschaftsumfeld entstandenen Büchergilde Gutenberg bestanden darin, alle in den Produktionsprozess involvierten Menschen in die Büchergemeinschaft zu integrieren und ihnen durch ihre Mitgliedschaft gute Literatur und somit auch Bildung bezahlbar nahezubringen.

Selbst in der Zeit des Nationalsozialismus wuchsen die Mitgliederzahlen der Büchergilde Gutenberg, was vor allem der Gründung einer schweizerischen Genossenschaft mit Sitz in Zürich geschuldet war. Sie war bis 1945 auch eine Anlaufstelle für Autoren und Illustratoren, die sich im Exil befanden.

Die Buchgemeinschaft ist im Jetzt angekommen

Auch in den heutigen krisengeschüttelten Zeiten suchen Menschen wieder Zuflucht in Gemeinschaften, die gleiche Interessen vertreten. Davon profitiert auch die Büchergilde Gutenberg. Das Jubiläum der Büchergilde ist somit ein Zwischenschritt. Die Erfolgsgeschichte darf weitergeschrieben werden. Auch wenn Spiele, Filme, Musik und Dekoratives ins Sortiment einfließen, das zentrale Produkt bleibt das Buch. Das schöne Buch. Das illustrierte Buch.

Mit 700 illustrierten Büchern beweist die Büchergilde Gutenberg, dass es ihr immer noch und immer wieder darum geht, Geschichten zu erzählen und viele Menschen über unterschiedliche Sinneskanäle anzusprechen. Die künstlerisch eigenen und handwerklich aufwendig produzierten Bücher, teils als 6-Farben-Druck, sprechen auch vermehrt junge Menschen an, die den künstlerischen Wert der Buchausgaben erkennen. Das illustrierte Buch der Büchergilde Gutenberg gilt als „Ritterschlag“ in der Verlagsbranche, daher geben Verlage, Autoren oder auch Erbengemeinschaften meist gerne ihre Einwilligung, wenn angefragt wird, ob ein Buch illustriert werden darf. Die Grafiker oder Illustratoren werden gezielt angefragt. Ihre Kunst soll ja zum Werk passen.

Quo vadis Büchergilde Gutenberg?

Mit der aktuellen Ausstellung im Museum für Druckkunst in Leipzig und einer Feier im Lichthof des Museums bedankte sich die Büchergilde bei ihren Mitgliedern und Kunden. Der Leitspruch „Machen Sie gerne mehr aus uns“ lädt den gesamten Bücherfreundeskreis ein, die Genossenschaft an die nächste Generation weiterzuempfehlen. Der Jubiläumsspruch „Vorwärts mit heiteren Augen!“ knüpft an die Gründung vor 100 Jahren und die erste Buchveröffentlichung von Mark Twains „Mit heiteren Augen“ an. Für das Jubiläum wurde das Büchlein noch einmal neu aufgelegt.

Die Sichtbarkeit der Büchergilde hat sich durch die sozialen Medien längst erweitert und sie profitiert von neuen Formaten, wie einem Online-Lesekreis, der regelmäßig stattfindet. Das entspricht dem Gedanken der Community, miteinander in Verbindung zu bleiben, miteinander etwas zu erleben. Da dürfen auch Lesereisen oder gemeinsame Veranstaltungen nicht fehlen. Diesbezüglich kann die Büchergilde sicherlich noch weitere Angebote kreieren. Das Jubiläumsfest lässt sich dafür als Auftakt nutzen. Viele Menschen von nah und fern reisten an, um mit der Büchergilde zurückzuschauen auf die vergangenen 100 Jahre. Die moderierte Veranstaltung mit musikalischen Beiträgen aus diesem Jahrhundert war wirklich ein kulturelles Schmankerl!

Bild: Beatrix Sieben im Museum für Druckkunst im Lichthof

Die Koordination von weiteren Veranstaltungen könnte eine logische Weiterführung sein, z.B. auch was die oben bereits genannten Lesereisen oder Interviews in unterschiedlichen Veranstaltungsstätten angeht. Natürlich eigenen sich dafür auch viele der Partnerbuchhandlungen, die vielfach bereits eigene Veranstaltungskonzepte präsentieren. Für die Sichtbarkeit der Büchergilde bleiben diese engagierten Buchhändler weiterhin unbestritten wichtig und übernehmen eine besondere Rolle. Denn eines macht das schöne Buch nach wie vor besonders: der haptische Sinneseindruck. Wer es einmal in die Hand genommen hat, will es nicht mehr weglegen!

Die Ausstellung „Vorwärts mit heiteren Augen! 100 Jahre Büchergilde Gutenberg“ im Leipziger Museum für Druckkunst dauert noch bis zum 10.11.2024, weitere Informationen unter:

https://www.druckkunst-museum.de/de/

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