Jörg Phil Friedrich geht in seinem Essay „Republik in der Krise. Was eine lebendige Demokratie ausmacht“ der Frage nach, was Demokratie grundsätzlich bedeutet. Er leitet das Wort aus seinen griechischen und philosophischen Wurzeln ab und stellt dabei den allgemeinen Umgang mit dem Wort und seiner Bedeutung infrage. Das Wort „Demokratie“ lässt sich aus den griechischen Wörtern demos (Volk) und kratos (Macht) herleiten. Somit lässt sich „Demokratie“ als „Macht des Volkes“ übersetzen, was sie zunächst als eine Art Regierungsform ausweist, die vom Willen des Volkes abhängt und/oder den Willen des Volkes repräsentiert.

Mit prägnanter Sprache und nachvollziehbaren Beispielen weist Friedrich auf ein daraus abgeleitetes falsches Verständnis von Demokratie, Politik und politischem Handeln hin sowie auf demzufolge überhöhte und problematische Erwartungen an das, was Demokratie braucht und wie sie funktioniert. Die Rückbesinnung auf Platons Schrift zur „Politeia“, welche als erstes Werk der politischen Philosophie oder der politischen Theorie angesehen werden kann, beschäftig sich mit der Frage nach einem gerechten Staat. Was aber bedeutet Politik oder politisches Handeln heute? Politik in der heutigen Zeit und somit 2.500 Jahre nach Platon? Friedrich unterscheidet politisches Handeln und sinnvolles persönliches Engagement. Er deckt Mythen auf, auf deren Grundlage falsche und nicht haltbare Vorstellungen entstanden sein könnten: Vorstellungen etwa wie die, dass jeder Mensch ein politisches Wesen sei oder dass Demokratie eine Staatsform sei.

In der Abgrenzung zur Diktatur oder zur Monarchie erscheint die Demokratie als eine auf der Basis von Wahlfreiheit beruhende Beteiligung aller gleichgestellten Menschen, erkämpft durch Revolutionen und Bürgerkriege. Doch bei genauerer Betrachtung ist es die Republik, die dem demokratischen Wirken zugrunde liegt. Eine Republik mit Strukturen geteilter Macht (S. 22).

Der Mensch ist (k)ein politisches Wesen

„Eine demokratische Republik gibt allen die Möglichkeit, sich im politischen System selbst zu betätigen.“ (S. 20)

Friedrich räumt ein, dass sich nie alle betätigen werden und auch nicht alle betätigen wollen. Manchmal aus Desinteresse, aber auch aus Gründen von Unkenntnis, Überforderung oder weil existenzielle Fragestellungen den Alltag dominieren.

„Dem kann man allerdings entgegenhalten, dass es für den einzelnen Menschen oft gar nicht möglich ist, politische Prozesse jenseits seiner Alltagserfahrung so weit zu beurteilen, dass er sich zum politischen Handeln entschließen kann.“ (S. 37)

Was eine Demokratie lebendig hält

Durch den lebendigen Prozess der politischen Entscheidungsfindung entstehen Auseinandersetzungen und mühevolle Orientierungs- und Abstimmungsprozesse innerhalb von Institutionen oder zwischen unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. Die Prozesse sind Ausdruck des demokratischen Miteinanders. Jede öffentliche Diskussion birgt keine Gefahr, solange sich an dieser Diskussion alle beteiligen können und niemand ausgeschlossen oder verleumdet wird. Selbst bei Fehlverhalten einzelner Personen, die gegen Normen oder Moralvorstellungen verstoßen, ergibt sich daraus kein Problem für eine lebendige Demokratie. Der öffentliche Diskurs, die konkrete Wahrnehmung und eine nachfolgende Diskussion über das persönliche Fehlverhalten genügen und machen deutlich, dass Handlungen gesehen und kritisiert werden können. Das setzt einen demokratischen Rahmen für eine lebendige Auseinandersetzung.

In Zeiten, in denen alltägliche Hetze und Hasskampagnen zur Tagesordnung geworden sind, bringt die Meinung des Philosophen Friedrich etwas Gelassenheit in die teils sehr hitzige Debatte. Solange eine Rechtsordnung besteht, solange Macht nicht bei einer Person liegt oder durch eine übermächtige Institution vertreten wird, sondern als geteilte Macht wahrnehmbar ist, solange dürfen die Diskussion und das Ringen um demokratische Teilhabe auch einmal hitzig werden. Der Prozess bedingt das. Aktivitäten und Demonstrationen als Meinungskundgebungen bedürfen des institutionellen Schutzes.

Friedrich plädiert für Menschen auf der Schwelle, die zwischen „politisch nicht aktiv“ und „berufsbedingt politisch aktiv“ ein Interesse an Teilhabe und Mitwirkung zum Ausdruck bringen. Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für Transformationen einsetzen. Menschen, die ihrem Gestaltungswillen folgen und zum Wohle der Gemeinschaft, nicht nur für ihr eigenes Interesse keine Mühen scheuen, um den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen.

„Es sind in der Tat meist nur wenige, die aktiv werden. Das bedeutet aber nicht, dass man das, was sie artikulieren, vernachlässigen könnte. Sie sind sozusagen das Brodeln auf einer Oberfläche, sie machen sichtbar, was den Demos bewegt – oder was ihn eben auch nicht bewegt.“ (S. 150)

Fazit:

Der Philosoph Jörg Phil Friedrich bietet eine interessante Betrachtungsweise von „Republik“ und „Demokratie“ mit einigen neuen Aspekten. Er diskutiert und klärt in Zeiten von zunehmenden extremistischen Strömungen einige Grundlagen neu, um das demokratische Miteinander – aktiv oder passiv, aber unbedingt mit mehr Gelassenheit – lebendig gestalten und erhalten zu können.

Über den Autor:

Jörg Phil Friedrich ist Jahrgang 1965, aufgewachsen in der DDR und Diplom-Meteorologe (Humboldt-Universität zu Berlin). 1994 gründete er gemeinsam mit Cornelia Gaebert das Softwarehaus INDAL, in dem er bis heute tätig ist. Es folgte zu Beginn des neuen Jahrtausends ein abgeschlossenes Studium der Philosophie an der FernUniversität in Hagen. Seitdem schreibt er als Philosoph und Publizist für verschiedenen Print- und Online-Medien zu philosophischen Fragen von Wissenschaft, Religion und Politik. Zu diesen Themenbereichen hat er auch mehrere Bücher veröffentlicht. Weiterführende Informationen zu Leben und Werk finden sich auf seiner Homepage: https://xn--jrg-friedrich-imb.de/

Über das Buch:

Jörg Phil Friedrich: Republik in der Krise. Was eine lebendige Demokratie ausmacht. Claudius Verlag, München 2025. Klappenbroschur. 160 Seiten. ISBN 978-3-532-62907-9. 20,00 Euro.

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