Was fließt in Strömen, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten – Wasser oder Energie? Die Antwort muss natürlich lauten: beides – und das oft genug zusammen. Grund genug, sich das Verhältnis dieser beiden Sektoren genauer anzusehen und herauszufinden, welche Chancen in ihrer Verbindung liegen.
Bei der Auseinandersetzung mit Wasser und Energie fällt schnell auf: Beide sind echte Querschnittsthemen, die unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen prägen. Richtig spannend wird es jedoch dort, wo sie zusammenkommen. Das Potenzial der Kombination Wasser-Energie reicht weit über klassische Wasserkraft hinaus – es geht also um mehr als die bekannten Mühlen, Pumpspeicherkraftwerke und Turbinen. Betrachtet man beide Sektoren auf einer systemischen Ebene, werden schnell die erheblichen Abhängigkeiten sichtbar. Gleichzeitig eröffnen sich große Potenziale.
Wasser- und Energiesysteme sind beides kritische Infrastrukturen – und sie greifen schon heute stärker ineinander, als vielen bewusst ist. Sie teilen sich Standorte, benötigen Leitungs- und Speichertechnologien und ihre Verbrauche hängen zusammen. Wenn sie gemeinsam geplant und gesteuert werden, lassen sich Kosten senken, die Versorgungssicherheit erhöhen und Treibhausgasemissionen reduzieren. Gleichzeitig hilft der Blick auf beide Sektoren, Zielkonflikte früh zu erkennen – etwa zwischen (fossilem) Energiesektor und Wassermanagement – und nachhaltige Lösungen zu finden. Sektorenkopplung kann dabei nicht nur den Energiebedarf senken, sondern auch die Anpassung an den Klimawandel erleichtern.
Bild: Kühlwasser bei fossilen Kraftwerken (pixabay.com)
Wie der Klimawandel diese Beziehung beeinflusst, veranschaulichen die zunehmenden Extreme. Fehlt infolge zunehmender Dürren und Hitzesommer wird das zur Kühlung von Kraftwerken benötigte Flusswasser schnell zu warm, mit negativen Auswirkungen auf lokale Ökosysteme. Zugleich werden enorme Wassermengen im Braunkohle-Tagebau verbraucht. Insgesamt gehört die fossile Energiewirtschaft gemeinsam mit der Chemie-Branche zu den größten Wasserverbrauchern in Deutschland. Und auch die anstehende Steigerung der Wasserstoffproduktion wird die Wasserbedarfe erhöhen. Hier kann eine kluge Verwertung von aufbereitetem Brauchwasser helfen, Grundwasserressourcen zu schützen.
Darüber hinaus hat sich die Temperatur der Ozeane im Zuge der globalen Erwärmung bereits erheblich gesteigert, mit teils dramatischen Folgen für Biodiversität und Klima. Umso wichtiger ist es also, den Klimawandel zu begrenzen und durch den Umstieg auf erneuerbare Energien die Resilienz sozial-ökologischer Systeme gegenüber seinen Folgen zu erhöhen.
Wasser wird zurecht immer mehr als Quelle und Speicher für thermische Energie wahrgenommen. Energiegewinnung findet bislang vor allem in der kommunalen Abwasserwirtschaft statt, wo die Abwärme des Abwassers genutzt wird. Diese Abwärme kann Bioreaktoren von Kläranlagen heizen oder direkt in Nahwärmenetze eingespeist werden. Auch der Einsatz von Wärmepumpen, die Gewässern oder dem Grundwasser Energie entziehen stellt eine spannende Option dar. Bereits weiter verbreitet ist die Abwasserwärmenutzung. Dem mit 10-15°C selbst im Winter vergleichsweise warmen Abwasser wird dabei über einen Wärmetauscher Energie entzogen, statt diese über die Kläranlagen den Gewässern zuzuführen. Diese Energie kann beispielsweise Bioreaktoren von Kläranlagen heizen und deren Effizienz steigern oder in Nahwärmenetze eingespeist werden. Diese Technologie kann sowohl zentral in Kläranlagen als auch auf Gebäude- und Quartiersebene eingesetzt werden.
Bild: openai.com
Der Einsatz von Wärmepumpen in der Trinkwasserversorgung scheitert demgegenüber jedoch bisher an den veralteten Regelungen der Trinkwasserverordnung: Die Nutzung der aus Trinkwasser gewonnenen Abwärme ist auf den Eigenbedarf des Wasserwerks beschränkt – eine wirtschaftliche Nutzung ist so nicht möglich. Dabei sprechen weder technologische noch gesundheitliche Gründe dagegen.
Neben der Energiegewinnung birgt die Wärmespeicherfähigkeit von Wasser enormes Potenzial für die saisonale Speicherung: Energie, die im Sommer gewonnen wird, lässt sich so für den Winter nutzbar machen. Ein Ansatz ist die Speicherung in unterirdischen Wasserleitern (Aquiferen), die als natürliche Energiespeicher dienen können. Dabei wird im Sommer Wärme in das Grundwasser eingeleitet und im Winter wieder entnommen. Solche Systeme könnten vor allem in Kombination mit erneuerbaren Energien helfen, deren schwankende Verfügbarkeit auszugleichen. Diese Form der Sektorenkopplung kann dabei auch eine Brücke zwischen zwei Teilbereichen der Energiewende schlagen, indem es den bereits erfolgreich auf dem Weg der Dekarbonisierung befindlichen Stromsektor mit dem noch hinterherhängenden Wärmesektor verbindet.
Man kann sich also leicht vorstellen, welches Potenzial solche kreislaufförmigen Systeme in Zukunft bieten könnten: Kommunen nutzen ihre Wasser- und Energieinfrastruktur als ein vernetztes Ganzes. Abwärme aus Kläranlagen oder Trinkwasserwerken fließt in Nahwärmenetze, überschüssige Sommerwärme wird in Aquiferen gespeichert und im Winter genutzt. So gelingt es, die durch menschliches Handeln verursachten Klimawandelfolgen zumindest teilweise auszubalancieren. Die potenziellen Effizienzgewinne innerhalb der Wasser-Energie-Wirtschaft sind enorm – und vor allem durch kluge Steuerung skalierbar. Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge existieren schließlich in jeder Kommune. Insofern bieten anstehende Investitionen in der Wasser- und Energiewirtschaft, finanzierbar unter anderem durch das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes, die Chance zu einer nachhaltigen Entwicklung über Sektorengrenzen hinweg. Wasser und Energie zusammen zu denken und als vernetzte Systeme zu entwickeln verspricht also zahlreiche Synergien, die im Kontext des Klimawandels Spielräume schaffen und dessen Folgen zumindest teilweise ausgleichen könnten.
Passend zum Beitrag, Studiengänge der Hochschulen Koblenz:
https://www.hs-koblenz.de/studieninteressierte/bachelor-gewaesserkunde-wasserwirtschaft
https://www.uni-koblenz.de/de/studium/studienangebot/gewaesserkunde-und-wasserwirtschaft-bsc