In die kühlen Gemäuer des Kuppelsaals auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz hatten die Veranstaltenden und Kooperierenden zum BUGA Dialog 06 eingeladen. Wer sich erst kurz vor der Veranstaltung vom Parkplatz über das Festungsgelände auf den Weg zum Veranstaltungsraum gemacht hatte, bekam bereits die volle Erhitzung der Festungsanlage mit ihren großen unbegrünten Flächen zu spüren. Temperaturen über 35 Grad in den ersten Julitagen lassen erkennen, dass die Veranstaltung ihre Berechtigung hat. Der Klimawandel ist angekommen, nicht nur im Kulturellen Erbe, aber dort eben auch. Was bedeutet das für die Verantwortlichen heute schon, aber auch in der Zukunft?
Diesen Fragen wollten die Kooperierenden der Veranstaltung nachgehen und stellten erneut ein sehr abwechslungsreiches und erhellendes Programm im Rahmen der BUGA Dialoge zusammen. Unter dem Dach der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, hatte das Team der BUGA29 gemeinsam mit der Hochschule Koblenz, dem Kompetenzzentrum für Kulturlandschaften (KULT) aus Geisenheim sowie mit Partnern der Hochschule Koblenz und weiteren Mitwirkenden einen hochaktuellen Austausch organisiert.
Hitze betrifft vulnerable Gruppen zuerst
Marcus Engelbrecht stellte „Die Umsetzung des Hitzeaktionsplans Rheinland-Pfalz am Beispiel der Stadt Worms“ vor (Foto: Beatrix Sieben, ISSO)
Der Eröffnungsvortrag passte zur Wetterlage des Tages: Marcus Engelbrecht stellte „Die Umsetzung des Hitzeaktionsplans Rheinland-Pfalz am Beispiel der Stadt Worms“ vor. Als Klimaanpassungsmanager zeigte er auf, welche Strategien und Maßnahmen im städtischen Miteinander bereits umgesetzt worden sind und wie der Prozess dabei vonstattenging. Viele Multiplikator:innen wurden für die Thematik sensibilisiert und informiert. Die so geschaffene breite Beteiligung schulterte die Umsetzung gemeinsam und setzte um, was im Stadtrat beschlossen worden war. Es herrscht also Einigkeit darüber in Worms, dass es einen Klimawandel gibt, der zu Anpassungsmaßnehmen im Stadtleben führen muss. Ziel dabei ist der Schutz von Bürger:innen, die durch eine zu starke Erhitzung gesundheitlich besonders leiden würden. Dazu gehören ältere Menschen, Schwangere, stationär behandelte Kranke, Menschen, die in prekären Wohnsituationen leben oder ganz ohne festen Wohnsitz sind, aber auch Kinder und besonders hellhäutige Menschen. Die Einigkeit macht es möglich, dass bereits viel in Gang gekommen ist. Vieles lässt sich in einem Leitfaden nachlesen(Link am Ende des Artikels). Grüne Zimmer oder Hitzetelefon – neben diesen konkret umgesetzten Ideen gehören eine Kommunikation in alle Richtungen und die Beteiligung vieler Menschen wohl zum Erfolgskonzept, so wie Engelbrecht es selbst einschätzt. Der engagierte Geologe zeigte sich stolz über die Vorreiterrolle der Stadt Worms.
Über die „Auswirkungen des Klimawandels in historischen Ortskernen“ an Beispielen aus der Region Mittelrhein berichtete Prof. Peter Thomé von der Hochschule Koblenz und vom Schaufenster Baukultur. Als Architekt setzt er sich für ein klimafreundliches Bauen ein und unterstützt die Gestaltung einer Blauen Infrastruktur: Grünflächen in Kombination mit Wasser und Schatten spendende Oasen, die in jedem Dorf oder Ortskern ebenso wie in Städten zur notwendigen Abkühlung beitragen können. Obwohl viele Fakten bekannt sind, sieht Thomé ein deutliches Handlungsdefizit. Selbst eine gute Initiative verpufft und bringt nicht die gewünschte notwendige Breitenwirkung: Das Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation, kurz KIPKI, ist ein Förderprogramm für Kommunale Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz. Das mag daran liegen, dass Entscheidungsträger:innen in den Kommunen ausgebremst werden oder ob ihrer ehrenamtlichen Rolle insgesamt zu wenig Durchsetzungsmacht haben. Thomé sieht die vorhandenen Strukturen in Rheinland-Pfalz als nicht in jeder Hinsicht förderlich an, um die Umsetzung in Sachen Klimaanpassungen schnell voranzubringen. Für die Zukunft braucht es seiner Meinung nach andere Lösungen, um die Daseinsvorsorge auszugestalten.
Orte der Abkühlung in die Städte und Dörfer integrieren
Ortskerne benötigen Schatten spendende und Kaltluft zuführende Innenbereiche, die so gestaltet sind, dass sich Menschen dort aufhalten können und auch wollen. Thomés Credo lautet: Innenstadtentwicklung vor Außenstadtentwicklung. Ein grundsätzlich anderes Bauen und eine Rückkehr zur Fassadenbegrünung sieht er als dringend erforderlich an. Außerdem einerseits weniger Einzelmaßnahmen – und wenn, dann speziell, um die Machbarkeit aufzuzeigen und Bürgerbeteiligung zu stimulieren – und andererseits mehr strategische Ganzheitslösungen, die langfristig gedacht werden.
Thermische Situation von Worms (Foto: Beatrix Sieben, ISSO)
Mit dem Blick auf Kulturelles Erbe und historisch wertvolle, aber sanierungsbedürftige Häuser in den Ortskernen spricht Thomé davon, dass auch „Aufgeben“ eine Option sein könnte und notwendigerweise eine Änderung des Flächennutzungsplans für eine gezielte Rückentwicklung.
Tourismus in den Zeiten des Klimawandels
Wie sich der Klimawandel in der Region auf Tourismus und Freizeitangebote zum Beispiel in der Nutzung von Kulturlandschaften auswirkt, wurde durch die Impulsvorträge von Stefan Zindler für die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH und von Anne Respondek mit Blick auf Staatliche Schlösser und Gärten in Hessen eingebracht.
Für Zindler entwickelt sich der Mittelrhein zu einer veränderten Region: Öffnungszeiten in der Gastronomie werden sich den äußeren Bedingungen, wie Personalmangel, hitzebedingt veränderten Kernzeiten und Besucherverdichtung auf weniger Stunden, anpassen müssen. Heute noch mehrheitlich im Sommer durchgeführte Wanderungen in den Weinbergen werden vielleicht in das Frühjahr vorverlegt oder, bedingt durch mildere Temperaturen, in den Winter. Ein Ganzjahrestourismus sei eine neue Chance für die Region, die weiterhin viele regionale Sehenswürdigkeiten und kulinarisch interessante Angebote bietet, resümierte Zindler, der allen Anpassungen etwas Positives abgewinnen konnte, ohne dabei die Veränderungen kleinzureden.
Der Blick auf beliebte Sehenswürdigkeiten und Tourismusmagnete zeigt auch, dass solche Besucherattraktionen sehr personalaufwendig sind. Park- und Gartenanlagen werden manchmal vergleichsweise wenig genutzt, trotzdem sind deren Pflege und auch Wasservorhaltung arbeits- und personalaufwendig. Nahe Rüdesheim liegt der Osteinsche Niederwald, ein Gartendenkmal aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Das rund 304 Hektar große Areal wandelte sich über Jahrzehnte in einen Parkwald mit sehr altem Baumbestand. Schon längst leiden einige der heimischen Bäume unter der zunehmenden Hitze. Es wird experimentiert und ausprobiert, welche Bäume sich den klimatischen Veränderungen besser anpassen können. Baumbestände, die austrocknen und absterben, bilden ganz nebenbei ein meist übersehenes Sicherheitsrisiko, so kommentiert Anne Respondek, Ingenieurin und Landschaftsgestalterin aus Hessen, denn sie dienen auch immer einer Art Befestigung von Böden und Hängen.
Fazit des Vormittags
Aus unterschiedlichen Perspektiven wiesen alle Beiträge darauf hin, dass der Klimawandel längst zu veränderten Bedingungen geführt hat, welche unmittelbare Auswirkungen auf unser bisheriges Leben haben. Die Zeiten des Nachdenkens gehen vorbei, die Phase des Handelns ist überfällig. Es wird Zeit, eine neue Haltung einzunehmen und sich für eine aktive Mitgestaltung zu entscheiden.
Nachhaltige Lösungen für Arbeiten, Wohnen und Freizeit
In den nachmittäglichen Workshops wurden zu den Themen Arbeiten, Tourismus und Wohnen Ideen und Wünsche formuliert, die ein zukünftiges Leben angepasst an den Klimawandel mit sich bringt. Es wurden Beispiele für eine gelingende Anpassung ausgetauscht, die aus anderen Regionen, aber auch aus anderen europäischen Städten bekannt sind. Stolpersteine und Hindernisse wurden identifiziert, die bisherige Entscheidungen und Entwicklungen aufgehalten haben. Im Gespräch miteinander wurden Gemeinsamkeiten und Themen für zukünftige Zusammenarbeiten erkennbar. Jede Arbeitsgruppe verabschiedete ein konkretes Projekt, an welchem sich weiterarbeiten lässt. Die Bereitschaft zur aktiven Mitgestaltung wurde bekundet.
Das abschließende Stimmungsbild, durch eine Umfrage mittels Mentimeter ermittelt, zeigte auf, dass alle Teilnehmenden mit mindestens einer guten neuen Idee, viele auch mit mehreren Ideen die Veranstaltung gestärkt verlassen haben. Themen für zukünftige Veranstaltungen wurden gesammelt und motivierten die Kooperierenden, bereits jetzt die nächste Veranstaltung ins Visier zu nehmen.
Sven Stimac von der BUGA gGmbH freute sich über die sehr unterschiedlichen Eindrücke und Anregungen, die er als Ausrichter und Organisator der BUGA 2029 in seine weiteren Planungen integrieren kann. Jörn Schultheiß (KULT) bedankte sich für die Bereitschaft, an den identifizierten Projekten weiter mitzugestalten. Im Namen der GDKE bedankte sich Angela Kaiser-Lahme bei allen Mitwirkenden (vor und hinter den Kulissen) und Teilnehmenden für eine gelungene Veranstaltung, die nach ihrem Bekunden sehr von einer professionellen Vorbereitung und Moderation durch Beatrix Sieben (ISSO-Institut) profitierte.
Weitere Informationen:
Zur Umsetzung des Hitzeaktionsplans in der Stadt Worms:
https://www.worms.de/neu-de/zukunft-gestalten/klima-und-umwelt/Klimawandel/
https://www.worms.de/neu…Leitfaden.pdf
Die Broschüre „Nachhaltigkeit im Rheinland-Pfalz Tourismus“ ist verfügbar unter: https://mwvlw.rlp.de/fi….pdf