Das Kollektiv Degen/Gabor hat die Einschränkung der Meinungsfreiheit in den USA zum Anlass genommen, um auf die Bedeutung von Sprache auf unser Denken aufmerksam zu machen. Die in den USA an Journalist*innen sowie an die Verwaltung herausgegebene Liste der 200 „verbotenen“ Worte beschreibt, was lebendig und was anders ist. Diese „verbotenen“ Worte sichtbar zu machen, ist Kern des Konzeptes.

Foto: Rolf Karbach, Gestaltung des Banners

Ursprünglich als Banner für das „Forestival“ 2025 konzipiert, stieß die Idee schnell auf Beifall und entwickelt sich inzwischen zum Selbstläufer. Auf 20 weißen Herrenhemden als Symbol für die Vorherrschaft der „alten weißen Männer“ wurden die 200 Worte kunstvoll eingeschrieben. Dieser Stempel der Lebendigkeit und des freien Denkens soll als Performance, als Flashmob und als Pop-up-Ausstellung in Koblenz gezeigt werden. Start wird das „Forestival“ am 14. Juni 2025 in Lahnstein-Friedrichssegen sein.

Wer die Idee durch das Tragen der Hemden bei gemeinsamen Auftritten unterstützen möchte bzw. eines der künstlerisch gestalteten Hemden erwerben möchte, wende sich an Kerstin Degen und Sabine Gabor.

Der Erlös der Aktion geht zu 50% an Reporter ohne Grenzen!

Retrospektive

Die Auftaktveranstaltung der Seminarreihe „Mit Empathie gegen Rassismus“ des ISSO-Instituts Ende März 2025 befasste sich mit der Frage, wie Sprache unsere Wahrnehmung und unser Denken beeinflusst.

Prof. Dr. Stefan Meier, Medienwissenschaftler der Universität Koblenz, sprach über die Verwendung von Euphemismen, manipulativen Aussagen und dem gängigen Missbrauch von Begriffen.

Peter Erwin Jansen konfrontierte die Teilnehmenden mit der Sprachverfügung der Trump-Administration vom März 2025: Darin geht es darum, an die 200 Worte aus dem Sprachgebrauch der öffentlichen Debatte und Berichterstattung zu streichen – unter Androhung des Ausschlusses von Journalist*innen, die sich weigern würden, dem Folge zu leisten.

Hier eine Auswahl von betroffenen Worten: racism, activism, climate crisis, clean energy, black women, gender, LGBTQ, DEI, female advocate, victim, trauma, Gulf of Mexico, hate speech, intersectionality, equality social justice, feminism.

Sprache als Machtmittel

Sprache(n) zu unterdrücken, ist ein Machtmittel. Mit diesem Dekret des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump werden Bewegungen und Stimmen ausradiert, die möglicherweise dem Weltbild der „alten, weißen Männer“ in den USA nicht gerecht werden. Dahinter verbirgt sich deren Angst, Privilegien zu verlieren.

In einem Artikel in der TAZ vom 15. März 2025 wird von einer „sprachlichen Säuberung“ in den USA gesprochen, durch die das Vokabular, das Trump nicht passt, mit einem „Fingerschnipser“ verwandelt wird – mit anderen Worten: ausgelöscht wird. Das erinnert an Zeiten des Nationalsozialismus. Und auch in der DDR gab es diese Art der „Sprachpolizei“, nach deren Eingriff Begriffe und damit die Existenz dessen, was sie bezeichnen, nicht (mehr) vorhanden war. Dazu gehörten Begriffe wie „Prostituierte“, „Klimakrise“, „Immigranten“.

In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 16. April 2025 schrieb Mareen Linnarz über Anna Döge aus Udmurtien und die Unterdrückung ihrer Muttersprache im Vielvölkerstaat Russland. Diese Sprache wurde jahrelang diskriminiert, aus Schulen und Behörden verbannt. Den Menschen nimmt man damit ihre Identität, ihre Heimat.

George Orwell hat in seinem Bestseller „1984“ (1949) ausgeführt, wie ein totalitärer Staat durch Sprachmanipulation versucht, das Denken der Bevölkerung zu kontrollieren. Die Menschen sollen nicht einmal an Aufstand denken, da ihnen die Worte dazu fehlen. Orwell war davon überzeugt, wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken.

Timothy Snyder hat in seinem Buch „20 Lektionen für den Widerstand“ (2017) darauf hingewiesen, dass wir auf gefährliche Worte achten sollen, z.B. darauf, welch fatale Wirkung Begriffe wie „Notstand“ und „Ausnahmezustand“ haben.

Eindrücklich wird uns das gerade in diesen Tagen mit den Ereignissen in Los Angeles aufgezeigt: Menschen mit Empathie, die gegen die Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen demonstrieren, werden mit Gewalt bedroht.

Das Projekt „Zweihundert“

Vor dem Hintergrund des Unbehagens mit dieser Situation und weil sie nicht bereit waren, diese Gewalttat des Sprachverbots hinzunehmen, entstand das Worteprojekt „Zweihundert“ von Kerstin Degen und Sabine Gabor.

Die Kunstaktion gibt dem Widerstand eine Form, ist eine Demonstration gegen ein Verhalten, welches verbrecherisch, übergriffig und antidemokratisch ist. Die Klimakrise existiert, es gibt Opfer und Traumata, es gibt transsexuelle Menschen, Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, es gibt Rassismus, Feminismus, es ist nötig, über Inklusion, Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu sprechen. Die Hälfte der Menschen auf der Erde sind Frauen. Welche Anmaßung, das Wort „Frauen“ aus der alltäglichen Berichterstattung der Medien streichen zu lassen!

Foto: Rolf Karbach, Zweihundert – 200 verbotenen Worte auf einem Banner im Rahmen des Forestival in Lahnstein

Um diese Worte sichtbar zu machen, sie inmitten der Gesellschaft öffentlich zu machen und so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf dieses Geschehen zu lenken, wurden die 200 verbotenen Worte auf weiße Oberhemden geschrieben, um sie zu tragen, direkt am Körper, mitten in der Gesellschaft. Möglichst oft und möglichst mit vielen Unterstützenden, also Hemdentragenden.

Zweihundert – 200 verbotenen Worte als Tanzperformance von Freund*innen, die in den Hemden tanzen und lachen, die laut und deutlich die darauf stehenden Worte aussprechen (darüber gibt es Videos und Fotografien)

Foto: Filmstill von Rolf Karbach

Weitere Informationen und Aktivitäten:

Forestival Lahnstein internationales Kunstfestival

Foto: Rolf Karbach, Zweihundert – 200 verbotenen Worte auf einem Banner. Im Rahmen des Forestival in Lahnstein

14. Juni 2025: Am Starttag des Forestival in Lahnstein hat das Banner im Wald einen wunderbaren Platz, die Hemden tragende Community flaniert daran vorbei und entlang der Bäume und erregt dabei große Aufmerksamkeit. Die Aktion fällt auf, sodass viele Menschen neugierig werden. Die beiden Akteurinnen kommen mit vielen Interessent*innen ins Gespräch.

Ein wunderbares Ergebnis all dieser Arbeit: Gespräche über Demokratie und Pressefreiheit, aber auch darüber, wer hinter der Aktion steht, wer wir und wer die anderen sind und was wir als Nächstes tun werden.

Darauf sind die beiden Künstlerinnen selber gespannt und freuen sich über die Dynamik, die mittlerweile von vielen guten Köpfen und Herzen ausgeht.

Im Sommer soll neben Flashmobs auch eine Pop-up-Ausstellung organisiert werden.

Ort und Termin werden rechtzeitig veröffentlicht.

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