80 Jahre Kriegsende und ein Ort, der nie vergessen werden darf – Hadamar.
Foto: Sarah Erdmann, ISSO
8. Mai 2025
Ein Tag des Gedenkens an die Millionen Menschen, die während des 2. Weltkrieges entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Auch in Koblenz und der direkten Umgebung gibt es viele Orte, die an die Zeit mahnen. Etwa 50 Kilometer von Koblenz entfernt liegt Hadamar. Dort befand sich eine der sechs sogenannten „Tötungsanstalten“ des NS-Regimes. Zwischen 1941 und 1945 wurden hier fast 15.000 Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen systematisch ermordet- im Rahmen der nationalsozialistischen Aktion T4, der sogenannten „Vernichtung lebensunwerten Lebens“.
Der Ort ist heute eine Gedenkstätte, die an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“ erinnert. Im originalen Gebäude der ehemaligen Tötungsanstalt befindet sich die Dauerausstellung „Verlegt nach Hadamar“. Dort wird die Geschichte der „Euthanasie“ Mordaktion in Hadamar in den Jahren 1941 und 1942 bis 1945 dargestellt.
Beginnend mit der Vorgeschichte der nationalsozialistischen Krankenmorde werden beispielhafte Schicksale der Verfolgten und Ermordeten nacherzählt und in die Geschichte der längerfristigen Entwicklungen der psychiatrischen Klinik in Hadamar eingeordnet. Durch die Darstellung der Nachkriegsprozesse und des Gedenkens an die Opfer nach 1945 wird die historische Entwicklung bis in die Gegenwart nachvollziehbar.
Foto: Sarah Erdmann, ISSO
In den Kellerräumen des Gebäudes können die ehemalige Gaskammer, der ehemalige Sizierraum und ein größerer Raum mit Resten der Krematoriumsöfen besichtigt werden.
1941 wurden Patient*innen aus Zwischenanstalten mit Bussen in die Tötungsanstalt nach Hadamar verlegt. Ein hölzerner Nachbau der ehemaligen Busgarage befindet sich im Hof der Gedenkstätte. Dieser, sowie die Außenausstellung „Garten – Anstaltsfriedhof – Gedenkort. Das Außengelände des Mönchbergs“, auf dem Hügel hinter dem Gebäude, sind auch außerhalb der Öffnungszeiten zugängig.
Das Areal des ehemaligen Anstaltsfriedhofes, auf dem im Zeitraum von 1942 bis 1945 die Ermordeten in Massengräbern beigesetzt wurden, wurde 1964 zu einer Gedenklandschaft mit dem Denkmal für die Ermordeten der Euthanasie und der Außenausstellung umgestaltet.
Bildungsangebote
Als zentraler Ort des Gedenkens an die Verbrechen der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Politik, bietet die Gedenkstätte vielfältige Bildungsangebote für unterschiedliche Altersgruppen und Bildungshintergründe, die von Pädagog:innen der Gedenkstätte durchgeführt werden. Ziel dieser Angebote ist es, das grauenvolle Geschehen verständlich und eindrücklich zu vermitteln – nicht nur als Rückblick in die Vergangenheit, sondern auch als Anstoß zur kritischen Auseinandersetzung und Reflexion mit ethischen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen, Ereignissen und Veränderungen in der Gegenwart.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen. In altersgerechten Formaten – wie Führungen, Workshops oder Projekttagen – wird jungen Menschen das Thema behutsam, aber zugleich klar und authentisch nähergebracht. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Fakten, sondern auch darum, Empathie, Zivilcourage und ein Bewusstsein für Menschenrechte zu fördern. Die Aufklärung in jungem Alter ist von großer Bedeutung, um demokratische Werte zu stärken und einer Wiederholung vergleichbarer Ausgrenzungs- und Gewaltmechanismen entgegenzuwirken.
Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart.
Die Verbrechen der NS-„Euthanasie“ zeigen auf erschreckende Weise, wohin Ausgrenzung, Stigmatisierung und Entmenschlichung führen können. Und auch in der heutigen Zeit – das wird in der Gedenkstätte deutlich – erleben wir politische Entwicklungen, die Anlass zur Sorge geben. Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ist nach wie vor problematisch. Sie sind in unserer Gesellschaft systematischer Benachteiligung ausgesetzt. Sie erleben Diskriminierung, strukturelle Gewalt, Ausgrenzung und Barrieren, die ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich einschränken. Diese Benachteiligungen sind tief in gesellschaftlichen Strukturen, Institutionen und Haltungen verankert und betreffen alle Lebensbereiche – von Bildung und Arbeit bis hin zu Mobilität, Gesundheitsversorgung, sozialer Teilhabe und Inklusion.
Die Auseinandersetzung zwingt dazu, über die Gegenwart nachzudenken.
Foto: Sarah Erdmann, ISSO
Auf Gesellschaftlicher Ebene:
Wie inklusiv ist unsere Gesellschaft wirklich?
Leben Menschen mit Behinderungen mitten in der Gesellschaft oder eher am Rand?
Welche Barrieren bestehen im Alltag (physisch, digital, sozial) – und warum sind sie noch da?
Wo fehlen Rampen, Untertitel, einfache Sprache oder Akzeptanz?
Welche Rollenbilder und Stereotype prägen unser Denken über Behinderung?
Wird Behinderung mit Schwäche, Abhängigkeit oder Mitleid gleichgesetzt?
Wie sichtbar sind behinderte Menschen in Medien, Kultur und Öffentlichkeit?
Werden sie als Expert*innen ihrer selbst gehört – oder über sie gesprochen?
Auf politischer Ebene:
Wie gut setzen wir die UN-Behindertenrechtskonvention um?
Gibt es konkrete Maßnahmen zur Förderung von Teilhabe?
Sind Bildung, Arbeit und Wohnen barrierefrei zugänglich?
Oder werden Menschen durch strukturelle Hindernisse ausgeschlossen?
Wie werden Menschen mit Behinderungen an politischen Entscheidungen beteiligt?
Gibt es echte Mitbestimmung oder nur symbolische Beteiligung?
Wie wird Pflege, Assistenz und Unterstützung organisiert – selbstbestimmt oder bevormundend?
Haben Betroffene Wahlfreiheit?
Auf persönlicher Ebene:
Wie begegne ich Menschen mit Behinderungen – auf Augenhöhe oder mit Vorurteilen?
Habe ich unbewusste Denkmuster, die ich reflektieren sollte?
Bin ich bereit zuzuhören und von der Lebensrealität anderer zu lernen?
Spreche ich mit statt über behinderte Menschen?
Wie kann ich aktiv zur Inklusion beitragen – im Alltag, im Beruf, in der Familie?
Unterstütze ich inklusive Strukturen oder profitiere ich von exklusiven?
Wie gehe ich mit meiner eigenen (möglichen) Verletzlichkeit oder Beeinträchtigung um?
Die Gedenkstätte bemüht sich intensiv um Barrierefreiheit. Sie stellt Materialien in leichter Sprache zur Verfügung, bietet inklusive Führungen an und entwickelt stetig neue Angebote für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Dazu zählen beispielsweise Tastmodelle, Audioguides und spezielle didaktische Konzepte, die sich an die individuellen Bedürfnisse von Besucher:innen anpassen lassen. So wird sichergestellt, dass möglichst viele Menschen Zugang zu dieser wichtigen Bildungs- und Gedenkarbeit erhalten.
Die Gedenkstätte Hadamar ist mehr als ein historischer Ort – sie ist ein Spiegel für unsere Gesellschaft. Sie ruft uns dazu auf, nicht zu vergessen und Verantwortung zu übernehmen.
Ausführliche Informationen über Öffnungszeiten, Führungen, Bildungsangebote u.v.m. unter: gedenkstaette-hadamar.de