29 Millionen können nicht irren.
Danke, Friedrich Merz – was auch immer du bewirken wolltest, deine Impulsivität macht das zivilgesellschaftliche Engagement nun gerade sichtbar. So möchten wir es an dieser Stelle formulieren. Aus einer sehr fragwürdigen Aktion wurde ein positives Signal, das die NGO Szene, die vielen Organisationen und ihre Millionen freiwilliger Helfer, in das erforderliche Licht rückt.
Was ist passiert?
Am 24. Februar 2025, einen Tag nach der Bundestagswahl, hat die CDU/CSU-Fraktion eine Kleine Anfrage an die geschäftsführende Bundesregierung gerichtet [1]. Klein war die Anfrage nicht: Mit 551 Einzelfragen sollte die Arbeit von 17 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die staatliche Fördermittel erhalten, hinterfragt werden. Haben sich diese Organisationen in unzulässiger Weise parteipolitisch betätigt? Müsste man ihnen gar den Status der Gemeinnützigkeit aberkennen?
In der Szene der gemeinnützigen Organisationen war die Aufregung groß, denn wer die Anfrage liest, empfindet darin leicht eine Art Generalangriff. Als Quellenangabe wird in der Einleitung auf einen Text in der WELT verwiesen, der mit diesen Worten beginnt [2]:
Die NGOs sind in Deutschland längst ein Staat im Staate – und greifen, von der Bundesregierung mit Steuergeldern finanziert, in die demokratische Willensbildung ein. Wer eine andere Politik in Deutschland will, muss die manipulative Macht dieser verfassungswidrigen Institutionen brechen.
Da werden „Die NGOs“ pauschal als verfassungswidrig, als gefährlicher „deep state“ bezeichnet, das kann man als eine populistische Attacke bezeichnen. Es hat sehr wenig damit zu tun, dass Millionen von Menschen sich täglich für Nachbarn, Kinder, Senioren, Migranten, für Sicherheit, Tierschutz, Brauchtum, Denkmalschutz und somit für unsere Gesellschaft meist unentgeltlich einsetzen. Das Innenministerium sieht das deshalb auch anders und hebt wie fast alle anderen staatlichen Stellen das Ehrenamt als unverzichtbar hervor [3].
Deshalb hat diese Aktion der CDU/CSU-Fraktion auch viel Medienecho erfahren. Es ist unbedingt richtig, darauf zu achten, dass NGOs nicht die demokratische Grundordnung unseres Staates angreifen und das möglicherweise auch noch mit Steuergeldern. Wenn ein Politiker aber so vereinfacht, dass das gesamte Ehrenamt und damit grob ein Drittel der Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt wird, dann ist er selber gefährlich übers Ziel hinausgeschossen.
Die Martin Görlitz Stiftung erhält den Ehrensache-Preis aus der Hand von Kurt Beck (2010)
Ehrenamt ist unverzichtbar und schützenswert
Für die neue Bundesregierung empfiehlt es sich also, beim Thema Ehrenamt genauer hinzuschauen. Allein die veröffentlichten Zahlen machen eine Wissenslücke deutlich. Eine einfache Google-Abfrage (siehe Bild) liefert Zahlen zwischen 16 und 31 Millionen Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Keine Partei wäre glücklich, wenn sie ihre Wählerschaft so schlecht einschätzen könnte. Gut, die Bundestagswahl wirft insgesamt die Frage auf, ob das vorhandene Wissen über die Bürgerinnen und Bürger und ihre Bedürfnisse unseren Politikern hinreichend bekannt ist. Es scheint durchaus so, als könnte es deutlich besser sein.
Ein Fördertopf, der in der Anfrage ebenfalls kritisiert wird, ist das Bundesprogramm „Demokratie leben“ [4]. Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, ein Miteinander zu gestalten und somit die Gesellschaft von innen zu stärken, das kann so schlecht nicht sein. Jede Demokratie benötigt eine stabile Mitte, die sich im rechtlichen Rahmen der Verfassung bewegt. Wer sich mit der Vergabepraxis von „Demokratie leben“ auseinandersetzen musste, der erkennt schnell, dass dort keine Gelder leichtsinnig und unkontrolliert ausgegeben werden.
Der gesamte Sektor des Ehrenamtes hat eine staatstragende Bedeutung, von der freiwilligen Feuerwehr über den Tierschutz bis zu Organisationen wie ISSO, die sich auch unmittelbar für eine pluralistische Gesellschaftsentwicklung und für die Stärkung vielfältiger, demokratischer Strukturen einsetzen. Eine kluge Politik nutzt dieses Potential, ohne es als Ersatz für staatliche Aufgaben zu missbrauchen, aber auch ohne ungeschickte Einschüchterung oder Anfeindung. Menschen, die mitwirken und einen eigenen aktiven Beitrag zur Gemeinschaft beitragen, sind selten so frustriert, dass sie sich von Heilsversprechern verführen lassen. Diese stabile Basis braucht unsere Gesellschaft, das sollte kein kluger Politiker anders sehen.
[1] Deutscher Bundestag Drucksache 20/15035 https://dserver.bundestag.de/btd/20/150/2015035.pdf
[[2] siehe www.welt.de/debatte/plus25539…
[3] siehe https://www.bmi.bund.de/DE/them…
[4] siehe https://www.demokratie-leben.de/