Auf Einladung des Bistums Mainz sprach Oliver Schlaudt am 5. März 2025 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ZEICHEN LESEN – Anthropozän. Mensch und Mitwelt“ zu einem seiner aktuellen Forschungsthemen, dem Müll. Oliver Schlaudt, geboren 1978, ist Professor für Philosophie und Politische Ökonomie an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz. 2024 war sein Buch „Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise“ erschienen und hatte es direkt im April 2024 auf Platz zwei der Sachbuch-Beststellerliste von ZEIT, ZDF und Deutschlandfunk geschafft.

Foto: Podium (Beatrix Sieben, ISSO)

Moderiert wurde die Veranstaltung von PD Dr. Marita Liebermann und Dr. Andreas Linsenmann, die ihre Auswahl des Themas direkt am Anfang damit begründeten, dass der Mensch im Anthropozän seine besonderen Zeichen hinterlässt, zu denen in dramatischer Weise auch der Müll gehört. Der Müll, der nach den vergangenen Fastnachtstagen von den Kehrmännchen beseitigt wird, symbolisiert eine Art Kehrseite dieser närrischen Zeit. Gerade am Aschermittwoch geht es auch um Umbruch oder Umkehr. Der Beginn der Fastentage demonstriert eine Haltung von Demut und Mäßigung. Es geht darum, vom Überfluss loszulassen. Der Blick auf den Müll, den der Mensch in der Natur hinterlässt, erscheint gerade jetzt umso wichtiger, wo ein berechtigter Zweifel besteht, ob dieser Müll je wieder verschwinden kann und wird.

Zugemüllt -– keine Lösung in Sicht

„Wir müssen mit unserem Müll leben“, egal ob wir ihn als Müllberg sichtbar vor Augen haben oder verbrannt als Asche in den Luftkreislauf schicken oder in alten Stollen oder auf anderen Kontinenten lagern. „Den Müll werden wir nicht mehr los“, so Oliver Schlaudt, der nicht pessimistisch, aber konsequent realistisch die Spur von Abfall mitdenkt. Auch CO2 gilt es als Müll zu begreifen. Mikro- und Nanoplastik hat die Welt und vielleicht längst unsere Körper besetzt. Noch vermag keiner genau zu sagen, was diese Ablagerungen in unserem Körper anrichten. Auch Satelliten, die im All verglühen, hinterlassen Spuren und verursachen Giftstoffe. „Die Menschen haben noch nie so viel Dreck gemacht wie heute“, so seine ernüchternde Aussage, die aus seiner Sicht zu einem enormen Gesinnungswandel führen sollte. Schlaudt appelliert an uns alle, „die Sauberkeit“ zu überwinden, die er mit dem Begriff „Sauberkeitslogik“ als eine Verirrung und eine irrationale Handlung demaskiert. Er benennt Zuwachsraten von Krebserkrankungen bei jüngeren Menschen, die durch Umweltgifte verursacht werden, und weist darauf hin, dass weltweit die Aufnahmekapazitäten für Müll überfordert werden und die Anteile von recyclingfähigen Abfallprodukten zu gering sind.

Foto der Ausstellung (Beatrix Sieben, ISSO)

Diskussion und künstlerische Rahmung

Unter den Überraschungsgästen für die Podiumsdiskussion tat sich der Theologe und Universitätsprofessor Ruben Zimmermann mit seiner Verzichtsethik hervor. Dr. Cornelia Frings vom Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg Universität in Mainz wies auf die gescheiterten Verhandlungen über das Plastikabkommen hin, die aufzeigen, dass unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen bei den Themen Plastik und Müll aufeinanderstoßen.

Neben Diskussion und Austausch boten eine Videoperformance und die visuelle Auseinandersetzung mit dem Thema durch die Arbeiten der Hamburger Künstlerin Swaantje Güntzel, die auch Schlaudts Buch illustriert hat, einen künstlerischen Zugang. Die Künstlerin enttarnt den schönen Schein von Verpackungsmüll und Umweltverschmutzung, in den wir alle involviert sind. Mit ansprechendem Design konzipiert sie visuelle Bilder, welche auf den zweiten Blick aufzeigen, in welcher Weise Menschen eine Gefahr für die Natur darstellen. Einige Drucke ihrer Bilder standen im Veranstaltungsraum.

Foto: Oliver Schlaudt (Beatrix Sieben, ISSO)

Foto: Oliver Schlaudt (Beatrix Sieben, ISSO)

Der Referent:

Oliver Schlaudt, geboren 1978, ist Professor für Philosophie und Politische Ökonomie an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (HfGG) in Koblenz. Nach seinem Physik- und Philosophiestudium promovierte und habilitierte er an der Universität Heidelberg, hatte Gast- und Vertretungsprofessuren in Paris und Freiburg inne und war Gastforscher in einer archäologischen Forschungsgruppe der Universität Tübingen. Seine Professur an der HfGG ist Teil des renommierten Heisenberg-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit Fragen der Technik-, Kultur und Wissenschaftsphilosophie mit einem besonderen Interesse an Ökonomie und kognitiver Archäologie.

 

Aktuelle Buchveröffentlichungen von Oliver Schlaudt:

Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise ist am 15. Februar 2024 bei C.H.Beck erschienen als Paperbackausgabe (ISBN-Nr. 978-3-406-81464-8, 364 Seiten mit 6 Abbildungen, 22,00 €) sowie als E-Book für 16,99 €.

Außerdem zuletzt erschienen: Das Technozän. Eine Einführung in die evolutionäre Technikphilosophie (2022) und Die politischen Zahlen. Über Quantifizierung im Neoliberalismus (2018).

Weitere Informationen:

ISSO Buchrezension: „Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise“

Hochschule für Gesellschaftsgestaltung: https://hfgg.de/hochschule/team/oliver-schlaudt/

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