Ein Besuch beim „Arbeitskreis philosophierender Ingenieure“ an der Mosel
Die bekanntesten Philosophen der Antike waren bekanntlich auch Staatsmänner wie Platon, Aristoteles, Cicero oder Seneca. Ihre grundlegenden Gedanken wirken bis heute nach, gerade weil sie Ethik und Moral, Politik und Staatsführung zusammen gedacht haben. Davon entfernen sich viele Machthaber in der heutigen Welt leider mit großer Geschwindigkeit. Es liegt nahe, dass es seit jeher der Politik guttun würde, wenn mehr Personen in hohen politischen Ämtern eine philosophische Bildung und eine bessere Ethik und Moral hätten. Im Werdegang von Barack Obama, Justin Trudeau, Jacinda Ardern oder Emmanuel Macron finden sich solche Elemente.
In diesen Tagen erleben wir einen unheilvollen „deep merger“ zwischen Tech-Welt und Politik, zwei Mächte fließen zusammen und richten gemeinsam maximalen Schaden an. Nachhaltige Entwicklung sieht anders aus. Die Welt steht fassungslos und fragt sich: Wo bleibt da jegliche Moral? Die Handelnden dieses Weltendramas scheinen jedenfalls sehr wenig ethische Grundbildung und keinerlei Skrupel zu haben.
Die Milliardäre, die dieses Desaster heute unterstützen und finanzieren, wären Nichtse, würden sie nicht Technik, Digitalisierung, Software, Datennetze maximal effizient und ebenfalls skrupellos einsetzen. Das bringt uns zu der Frage der Verantwortung, die auf der gesamten technischen Welt lastet. Für Ingenieure und Techniker ist es seit Anfang an ein Dilemma, dass Technik fast immer für Gutes und Schlechtes verwendet werden kann. Kreative Geister wie Galileo Galilei oder Leonardo da Vinci, aber auch viele andere, haben sich eindrücklich mit diesen Fragen befasst.
Mit diesen Gedanken im Kopf fuhren wir vor einigen Tagen die Mosel aufwärts nach Bernkastel-Kues. Dort gibt es den Verein APHIN [1], ausgeschrieben „Arbeitskreis philosophierender Ingenieure und Naturwissenschaftler“, gegründet 2012 und mittlerweile über 100 Mitglieder stark. Das Selbstverständnis des Vereins ist, die Beziehungen zwischen dem Menschen und der von ihm geschaffenen, gestalteten Welt zu untersuchen, philosophisch zu hinterfragen und zu begleiten. So entstehen grundlegende Überlegungen zu den sozialen und ökologischen Problemen des 21. Jahrhunderts, die über die Jahre in einer Schriftenreihe zusammengefasst wurden.
Konkrete Lösungen und Antworten auf globale Krisen kann die Philosophie allein nicht liefern, dafür aber ein Denkgerüst und Rahmenwerk, um besser zu verstehen, wie ökonomische, ökologische und soziale Fragen miteinander verflochten sind. Gerade die rasante technische Entwicklung wirkt ja nicht für sich allein, sondern zurück auf Mensch und Gesellschaft in unendlich vielen Facetten. Wir sind stets Handelnde und Betroffene zugleich, meist ohne die Tragweite jeder Handlung ganz zu verstehen.
In einer Welt, deren Ganzheit und Begrenztheit immer klarer wird, sind diese Fragen von zentraler Bedeutung. Wer über Nachhaltigkeit spricht, meint heute die globalen Folgen menschlichen Handelns, nicht mehr nur die einzelne Plastiktüte. In den Überlegungen zur Natur, zum Menschen und zu einer Gemeinschaft, die eine für alle menschenwürdige Existenz ermöglicht, treffen sich Ingenieurwesen und Philosophie zu einem konstruktiven Austausch.
In einer zunehmend technisierten Welt, in der Ingenieure und Techniker eine zentrale Rolle bei der Gestaltung unserer Gesellschaft spielen, wird die Auseinandersetzung mit ethischen und philosophischen Fragestellungen immer wichtiger. Die Herausforderungen, die sich aus technologischen Entwicklungen ergeben – sei es in der Künstlichen Intelligenz, der Biotechnologie oder der Umwelttechnik – erfordern nicht nur technisches Wissen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die moralischen Implikationen des eigenen Handelns.
Aus diesen Überlegungen heraus unterstützt der Verein APHIN beispielsweise auch gerne Studierende, die sich über unsere stark technikzentrierte Denkwelt hinaus mit Philosophie beschäftigen möchten.
Ein aktueller Band aus der APHIN Schriftenreihe befasst sich mit „Digitalisierung, künstliche Intelligenz und autonome Mobilität“, die absolut aktuellen Themen, an denen sich Chancen und Risiken von Technik untersuchen lassen [2].
[1] Kontakt: APHIN e.V., An der Krone 1, 56850 Enkirch, https://2020.aphin.de