„Liebe kleine karierte Kinder“ heißt es in der Ur-Pippi, erschienen 2007 im Oetinger Verlag. Die Ur-Pippi ist die ursprüngliche Fassung des erfolgreichen Kinderbuchs Pippi Langstrumpf. Astrid Lindgren schenkte diese Geschichte 1944 ihrer Tochter Karin zu deren zehntem Geburtstag.

Hinreißend frech, stark und fröhlich, so kam sie daher, in langen Strümpfen und kurzen Kleidern. Frei und unbeschwert. Diese rothaarige Mädchenfigur setzte im Nachkriegsdeutschland der 50er-Jahre ein starkes Zeichen: Freiheit gibt es auch für Frauen! Freiheit ist bunt!

Pippi Langstrumpf (Bild: Soroptimisten Koblenz)

Unvorstellbar, dass sich 2025 schon der 80. Geburtstag von Pippi Langstrumpf nähert, deren Geschichte im Friedrich Oetinger Verlag die deutsche Kinderbuchliteratur veränderte. Nach den trostlosen, grauen Kriegsjahren wirkte die bunte Welt der Pippi Langstrumpf befreiend auf das Gemüt der Kinder – nicht immer auf das der Eltern. Viele Mütter, aber sicher auch Väter waren noch von einem nationalsozialistischen Frauenbild geprägt. Das vorlaute und ungezogene Mädchen, mit zu großen Schuhen und Flicken auf seinem Kleid, passte nicht so recht zur adretten deutschen Ordnungsliebe, die noch durch gängige Filmbilder aufrechterhalten wurde, z.B. die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann.

Trauerbewältigung braucht gute Geschichten

Astrid Lindgren hat noch viele weitere beeindruckende Figuren entwickelt, neben dem durch Film und Fernsehen bekannten Michel aus Lönneberga auch die in der Film- und Theaterwelt häufig vertretene Ronja Räubertochter und die Geschwister Löwenherz. Neben dem Thema Freiheit geht es in manchen ihrer Geschichten auch um die Bewältigung starker Gefühle, es geht um Einsamkeit und Trauer. Gerade in Zeiten von Kriegsberichterstattung, Attentaten und Katastrophen brauchen Eltern heute wieder Geschichten, die erzählbar sind, die weder verschweigen noch beschönigen. Persönliches Unglück gehört zum Leben dazu, und wir alle müssen früher oder später den Tod von lieben Weggefährtinnen und -gefährten bewältigen, seien es Menschen oder Tiere. Viele Kinder verlieren früher, als es ihnen lieb ist, ihre heimische Geborgenheit. Vom Umgang damit findet sich in fast allen Kinderbüchern Astrid Lindgrens irgendetwas. Auch ihre eigenen Lebensumstände spiegeln sich darin wider. Schwanger, aber unverheiratet, verließ sie ihr geliebtes Heimatdorf im südlichen Schweden und musste ihren Sohn in die Obhut einer Kinderfrau geben. Die Geschichte eines Jungen auf der Suche nach seinem Vater findet sich in ihrem 1987 erschienenen Kinderbuch Mio, mein Mio.

Keine Gewalt gegen Kinder

Astrid Lindgren erhielt 1978 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels zu einer Zeit, als deren Repräsentanten noch hauptsächlich männlich waren. In der Frankfurter Paulskirche hielt sie eine weltbewegende und eindrucksvolle Rede mit dem Titel „Niemals Gewalt“, bei der sie sich gegen jegliche Gewalt an Kindern aussprach, was zur damaligen Zeit auch für deutsche Verhältnisse noch keinesfalls selbstverständlich war.

Astrid Lindgren auf Briefmarke (Bild: canva.com)

Als sich das Augenlicht der Achtzigjährigen verschlechterte und sie weniger schreiben konnte, nutzte sie ihre Bekanntheit, um für Kinderwohl, Tierwohl und die Natur im Allgemeinen einzutreten. Sie mischte sich ein in politische Entscheidungen und beeinflusste nach ihren Möglichkeiten die öffentliche Meinung kraft ihrer Medienpräsenz.

Astrid Anna Emilia Lindgren wurde am 14. November 1907 auf dem Hof Näs, etwas außerhalb von Vimmerby in Småland, geboren und starb am 28. Januar 2002 in ihrer Wohnung an der Dalagatan 46 in Stockholm.

Der Freigeist einer Pippi Langstrumpf prägte viele Kinder und Frauen. Wie sehr Astrid Lindgren mit dieser Figur einen Schatten vorauswarf, zeigte sich gerade wieder in den letzten Jahren, wo ein anderes Mädchen aus Schweden von sich reden machte, welches wie Pippi Langstrumpf meist Zöpfe trägt. Ein mutiges Mädchen, eine starke Persönlichkeit, die Berühmtheit erlangte und viele Anfeindungen aushalten muss: Greta Thunberg setzt sich für Belange ein, für die auch Astrid Lindgren schon kämpfte. Wir wissen es nicht, aber wir ahnen, dass Greta als Kind möglicherweise ein Fan von Pippi war. Das Unangepasste springt uns direkt an. Reden braucht sie darüber nicht, wir erkennen es auch so.

Buchempfehlung:

Aus einem persönlichen Blickwinkel berichtet Jens Andersen in seiner 2017 erschienenen Biografie über das Leben von Astrid Lindgren. Er schildert darin das Leben der öffentlichen und der privaten Frau, Mutter und Freundin. Sehr feinfühlig beleuchtet und differenziert er dabei auch weniger bekannte Aspekte ihres Lebens. Auf diese Weise gelingt ihm ein wundervolles Porträt dieser bemerkenswerten Frau.

Als Taschenbuch:

Jens Andersen (2017): Astrid Lindgren. Ihr Leben. München: Pantheon Verlag. 10. Aufl. ISBN-Nr. 978-3-570-55352-7

Weitere Informationen:

Lindgren Sundin Das Pippi Langstrumpf Kochbuch.pdf

 

Haus von Astrid Lindgren (Foto: Beatrix Sieben, ISSO)

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