„Ich will nicht streiten.“ Diesen Satz haben wir alle schon einmal gehört oder gesagt. Es gibt dazu aber auch die entgegengesetzte Variante: „Heute bin ich auf Krawall gebürstet.“ Was hat es also auf sich mit dem Thema Streit oder Streiten. Die Ausstellung „STREIT. Eine Annäherung“ im Museum für Kommunikation Frankfurt greift das Thema auf und erklärt Streit als Teil der menschlichen Kommunikation. Betrachtet werden Entwicklungen, Herausforderungen und die Relevanz von Streit aus historischer, kommunikativer, politischer und persönlicher Perspektive.
Foto: Beatrix Sieben, ISSO
Streit begegnet uns täglich: in den Medien, in politischen oder gesellschaftlichen Debatten, in der Familie oder in der Beziehung. Streit ist wichtig: Er bietet uns Menschen – neben allen negativen Entwicklungsmöglichkeiten – die Chance, uns gegenseitig besser zu verstehen, auszutauschen und anzunähern. Doch was genau ist denn ein Streit und wie unterscheidet er sich vom Diskurs oder von einer Debatte oder von einer Kritik? Die Ausstellung verschafft hierzu einen Überblick.
Mit rund 150 „streitbaren“ Objekten, Fotografien, Medien und künstlerischen Positionen wurden Themenräume gestaltet, in denen die Besuchenden viele Informationen erhalten, aber auch als Teilnehmende eingeladen werden mitzumachen. Nach einem Überblick, welche Streitthemen besonders dominant sind, darf sich das Publikum zur Mitwirkung entscheiden. Zu den Themenschwerpunkten Kunst, Liebe, Macht und Geld dürfen sich alle als Streit-Tiere in die Diskussion einbringen und zwischen unterschiedlichen Thesen und Antworten entscheiden. Das ist gar keine schlechte Idee, denn es schafft ein wenig Distanz zu uns selbst, symbolisiert aber auch beobachtbare Verhaltensweisen, nämlich solche, die diesen Tieren zugeschrieben werden. Ein bisschen vermischt sich dabei natürlich die Wirklichkeit mit einem Wunschdenken, aber was soll’s. Am Ende der Ausstellung erfahren sie dann, welchen Streit-Typ sie repräsentieren.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten – oder doch?
Die Ausstellung zeigt gut verständlich, dass aus allem eine Streitfrage werden und über alles gestritten werden kann. Wer sich grundsätzlich schwertut, seine eigene Meinung klar und deutlich zu vertreten, bekommt hier die Gelegenheit, einen neuen Blick auf das Nützliche an einer gelebten Streitkultur zu werfen. Vielleicht ist das deutsche Wort „Streit“ hier aber auch nur das falsche Wort, die englische Übersetzung „argument“ trifft es besser. Es geht im Sinne einer „gelungenen Auseinandersetzung“ ja letztendlich um das Argumentieren, wenn wir unsere unterschiedlichen Perspektiven miteinander austauschen und diskutieren. Auch wenn Auseinandersetzungen eskalieren können, heißt das noch lange nicht, dass die Eskalationsstufen bis zum letzten Grad erklommen werden müssen. Für ein demokratisches Miteinander sind Spielregeln für eine gelingende Kommunikation oder Debattenkultur besonders erstrebenswert.
Foto: Beatrix Sieben, ISSO
Die Ausstellung ist angereichert mit vielen Zitaten von Menschen aus dem öffentlichen Raum sowie von Literaten und Philosophen, die ihre Meinung zum Thema einbringen. Sie endet mit einem Handlungsvorschlag für ein gekonntes Streitgespräch. Denn für die eigene Meinung einzustehen lohnt sich, hilfreich ist dabei ein Grundverständnis, dass dies auch der anderen Person erlaubt sein sollte.
„Der Streit ist wunderbar, herausfordernd, schmerzhaft, anstrengend, hoffnungsvoll, kränkend, sinnlich, leidenschaftlich, still und leise, laut und brüllend, kognitiv und emotional – und hört nie auf.“ (Michel Friedman)
Wer es nicht bis zum 1. September 2024 nach Frankfurt und in die Ausstellung schafft, der findet im Internet einen ausstellungsbegleitenden Begleitprogramm – einen Expotizer, der die wesentlichen Punkte der Ausstellung vermittelt.
Foto: Beatrix Sieben, ISSO, Literaturquelle: Michel Friedman
Literaturquelle Zitat:
Streiten? Unbedingt!: Ein persönliches Plädoyer (Duden-Sachbuch)
von Michel Friedman