24.06.2024 in der Universität Koblenz.

Der Fachtag war eine Kooperations-Veranstaltung des Kultur- und Schulverwaltungsamts der Stadt Koblenz und der Transferstelle des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften, gefördert durch die Partnerschaft für Demokratie Koblenz im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

Blick zurück in die regionale Geschichte

Der Dichter Hermann Ferdinand Freiligrath (1810–1876) setzte sich am Vorabend der Deutschen Revolution von 1848/49, auch „Märzrevolution“ genannt, in seinem Gedicht „Die Freiheit! Das Recht!“ für demokratische Grundrechte und hier vor allem für die Meinungsfreiheit ein. Zur gleichen Zeit entwickelte er sich vor dem Hintergrund der restriktiven politischen Zensur von einem spätromantischen Lyriker zu einem politischen Aktivisten der Deutschen Revolution. Mit diesem politischen Erwachen war er nicht allein am Rhein. Geboren in Detmold begann sein Schriftstellerleben in Unkel am Rhein, er lebte in St. Goar und schrieb in Assmannshausen seine berühmte Sammlung politischer Gedichte mit dem Titel „Glaubensbekenntnisse“ die ihn seine Pension des preußischen Königs kostete und ihn ins Exil trieb. Bereits einige Jahrzehnte zuvor hatte sich in Koblenz Johann Joseph Görres (1776–1848) in der 1814 neu gegründeten Zeitung „Rheinischer Merkur“ mit Vehemenz für Freiheitsrechte und die Einheit Deutschlands nach republikanischem Ideal eingesetzt.

Foto: Beatrix Sieben, ISSO

Der Fachtag griff diese demokratiebildenden Traditionen in der Region auf, die im Zusammenhang mit der Herausbildung zentraler demokratischer Grundrechte stehen – insbesondere mit dem in Artikel 5 des Grundgesetzes verbrieften Recht auf Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit.

Die diesjährigen Jubiläen von 175 Jahren Deutsche Revolution von 1848/49 und von 75 Jahren Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bieten hierbei den Anlass, die Bildung und die Stabilisierung demokratischer Basiswerte in der deutschen Geschichte zu thematisieren, um zu ihrer Stärkung in der Gegenwart beizutragen. Die Verantwortung der Medien, eine freie Meinungsbildung zu unterstützen, erfüllt eine wichtige Schutzfunktion für die Demokratie. Die Verbreitung von Fake News versucht im Gegensatz dazu in die Meinungsbildung vieler einzelner Menschen einzugreifen. Dies gelingt insbesondere deshalb immer wieder, weil eine Verbreitung von jeglicher Meinung innerhalb der Social Media – gerade durch die junge Generation vielseitig genutzt – in rasanter Geschwindigkeit passiert.

Der Blick zurück sollte gleichzeitig ein Blick nach vorne sein, denn er trägt dazu bei, die bisherige Entwicklung der Demokratie, aber auch ihre Bedrohungen besser zu verstehen und Handlungsoptionen für die Zukunft daraus abzuleiten.

Romantik und Parlamentarismus

Die Spätphase der Romantik galt lange Zeit als rückwärtsgewandt und politisch reaktionär. Nahezu das gesamte Spektrum politischer Haltungen von konservativ-monarchietreuen bis zu demokratisch-liberalen Positionen war vertreten. Als literarische und politisch aktive Romantiker gehörten Jacob Ludwig Karl Grimm (1785–1863) und Johann Ludwig Uhland (1787–1862) zu den ersten Akteuren, die im Parlament der Frankfurter Paulskirche mitwirkten. Sie wurden als Abgeordnete ihrer Wahlbezirke gewählt, gestalteten so eine der spannendsten Phasen der deutschen Geschichte mit und hatten ihren Anteil an den in der Paulskirche stattfindenden Willensbildungsprozessen.

Die Impulse zur Romantik und ihrer Bedeutung für die Demokratiebildung aus der Wissenschaft von Professor Dr. Wolfgang Bunzel (Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum) und Professor Dr. Dr. h.c. Stefan Neuhaus (Institut für Germanistik, Universität Koblenz) verdeutlichten, wie die Märzrevolution von 1848 die Grundrechte des Volkes vertrat und auch die Grundlage für die Pressefreiheit in Deutschland darstellte.

Von Beginn des 19 Jahrhunderts an hielten die politischen Kontroversen jener Zeit Einzug in Gedichte und Lieder. Die Bedeutung der Lyrik dieser Zeit ist nicht zu unterschätzen: Sie hatte einen starken symbolischen Charakter. Der Freiheitsbegriff mit einer absolutistischen Grundausrichtung entwickelte sich mehr und mehr – im Schatten der Vorbilder Frankreich und England – zu einem Freiheitsbegriff des Individuums.

Stärkung der Meinungsbildung

Mit einem hervortretenden Bürgertum, das sich zunehmend in Position brachte, erstarkte auch die Willens- und Meinungsbildung. Die Freiheitsdebatte zog in Lyrik und Bühnenstücke ein: auf deutschen Bühnen wurde Schillers Wallenstein oder Shakespeares Hamlet gespielt.  Wie weit sich Lyrik einmischen soll und darf, wurde vielseits und vielfach diskutiert. Oftmals wurde versteckt politisch agiert, wie bei dem Spottgedicht über die Loreley von Heinrich Heine aus dem Jahr 1824.

Auf der Basis dieser Rückschau deutscher und regionaler demokratischer Traditionen ermöglichte der Fachtag verschiedenen zivilgesellschaftlich aktiven Vereinen und Initiativen Impulse aus der Praxis einzubringen. Es ging dabei um die Stärkung von lokaler Meinungsbildung, um den Umgang mit Medienmanipulation und um die Förderung von Bildungsarbeit mit professioneller Recherche, um Tatsachen von Meinungen zu unterscheiden.

Foto: Beatrix Sieben, ISSO

Die Diskussion ließ keinen Zweifel daran, dass eine wehrhafte Demokratie von unten sowie eine Aktivierung der Zivilgesellschaft notwendig sind, um die Demokratie langfristig zu stabilisieren.

Im Rahmen von World Café wurden Ideen und Vorschläge für Koblenz und die Region erarbeitet, die sich aus den vorangegangenen Diskussionen ergaben. Es wurden Maßnahmen identifiziert, welche im Rahmen des Aktionsbündnisses Partnerschaft für Demokratie umgesetzt werden könnten, ebenso wurden neue Themen identifiziert, die zu weiterführenden Veranstaltungen beitragen und neue Kooperationspartner einbeziehen.

Die Veranstaltung schloss mit einer Podiumsdiskussion. Auf dem Podium diskutierten über die Voraussetzungen für Meinungsfreiheit, über den Umgang mit Fake News sowie über die denkbaren Hintergründe, die zu den vorliegenden Wahlergebnissen in Deutschland und in Europa geführt haben könnten: Ingo Schneider (Dezernent für Bildung und Kultur der Stadt Koblenz), Dr. Michael Hohlstein (Universität Koblenz), Dr. Tobias Herrmann (Bundesarchiv) und Beatrix Sieben (ISSO-Institut).

Foto: Beatrix Sieben, ISSO

Weitere Informationen:

Programm der Universität: https://www.uni-koblenz.de/…

Experten aus der Wissenschaft: https://freies-deutsches-hochstift.de/…

Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Neuhaus aus der Uni Koblenz

Prof. Dr. Wolfgang Bunzel vom Freien Deutschen Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum

Robin Kohler von Break the Fake e.V., Leipzig

Sebastian Zahn von demos e.V., Hachenburg

Ingo Schneider, Dezernent für Bildung und Kultur der Stadt Koblenz

Dr. Michael Hohlstein vom Institut für Geschichte, Universität Koblenz

Beatrix Sieben vom ISSO-Institut

Dr. Tobias Herrmann vom Bundesarchiv

Foto: Beatrix Sieben, ISSO

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner