Weshalb leben und wirtschaften wir noch immer, ja immer mehr, über unsere Verhältnisse? Wie kommen wir vom Erschöpfen von Ressourcen und Menschen zum regnerativen Leben und Wirtschaften? Diesen Fragen gingen Transformationsforscherin Maja Göpel und Philosophin Eva von Redecker im Rahmen der Veranstaltungsreihe Burning Futures: On Ecologies of Existence nach. Eine Weiterführung des Gesprächs, moderiert und kuratiert von Margarita Tsomou und Maximilian Haas ist nun als Buch verfügbar.

„Wie die Welt von heute ist, ist also in großen Teilen das Ergebnis der Vorstellungen und Narrative von gestern.“

Spannend wird es vor allem dann, wenn die beiden Denkerinnen in den direkten Austausch gehen und ihre Perspektiven zu originellen Analysen kombinieren. So ist von Redeckers Idee der unberechtigten historischen Ansprüche auf Ressourcen, von ihr als „Phantombesitz“ bezeichnet, überaus anschlussfähig zu Göpels Kritik der neoklassischer Ökonomik als „Phantomwelt“. Dabei geht es beiden insbesondere um die Narrative, zuvorderst den des ständigen Wachstums, die als systemische Wurzel vieler sozio-ökologischer Krisen identifiziert werden. Diese Kritik wird verbunden mit der Forderung nach Ressourcengerechtigkeit und dem Schutz der Commons.

Wie können wir also, in den Worten Eva von Redeckers, schöpfen oder zu erschöpfen? Die Antworten auf diese Frage fallen bei beiden Gesprächspartnerinnen leider eher wenig konkret aus. So ist schlagwortartig von einer Kreislaufwirtschaft die Rede, die Mensch und Umwelt ausreichend Zeit zur Regeneration ihrer Ressourcen geben und statt Abfall nur sinnvolles produzieren soll. Daraus ergäbe sich dann eine Wertschöpfung, die sich nicht auf die bloße Vermehrung von Geld beschränkt, sondern positive gesellschaftliche Folgen zeitigt. Was genau damit gemeint sein könnte bleibt jedoch im Dunkeln, gerade wegen der Vieldeutigkeit des Begriffs. Das ist schade, handelt es sich doch um ein Konzept, das ganz unterschiedlich gedacht werden kann. Da konkrete Nachfragen seitens der Moderation hierzu ausbleiben, dreht sich das Gespräch bald wieder um den ausführlichen Abgleich von Zeitdiagnose und Utopie. Der Weg zum Einlösen dieser, in dem Redecker revolutionäres Potenzial sieht, wird leider nicht besonders deutlich. Gerne hätte man gewusst, welche Rezepte für den geforderten Wandel in Werten und Praxen beide sehen.

Insgesamt überzeugt das kurze Buch mit treffenden, wenn auch nicht ganz neuen, Analysen und der Verknüpfung aktueller Diskurse. Wer einen Einstieg in das vernetzte Nachdenken von Nachhaltigkeitsproblemen sucht und philosophische Analysen schätzt, wird sicherlich Freude an dem Gespräch haben.

Maja Göpel ist Transformationsforscherin und Politökonomin. Als Autorin und Mitglied des Club of Rome bringt sie Nachhaltigkeit in Politik und Gesellschaft voran. Sie lehrt an der Leuphana Universität Lüneburg und ist Mitbegründerin der Scientists4Future.

Eva von Redecker ist Philosophin und Publizistin. Sie arbeitet u.a. zu Kritischer Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik. In ihrem Buch Revolution für das Leben setzt sich von Redecker mit neuen Formen des Aktivismus im Angesicht sozialer und ökologischer Krisen auseinander.

Schöpfen und Erschöpfen ist 2022 im Matthes & Seitz-Verlag erschienen (78 Seiten, 12€). Wer das Gespräch oder ein anderes aus der Reihe lieber anhören möchte, hat unter diesem Link die Möglichkeit dazu.

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