Eva von Redecker spannt einen großen Bogen von Marx über Hannah Arendt, Adorno, Foucault bis in die Gegenwart hinein dorthin, wo sich soziale Bewegungen wie Black Lives Matter oder Fridays for Future zeigen. Was ist das Ziel des Buches? Ist es eine neue Kapitalismuskritik oder ist es eine Liebeserklärung an menschliches Handeln?

Revolution – das Herrschaftsprinzip überwinden

Revolution bedeutet einen grundlegenden strukturellen Wandel, so steht es im Lexikon. Gibt es ein Revolutionspotenzial in Deutschland? Was auf der Straße stattfindet, transportieren unzählige Berichte der Medien – nicht immer lässt sich die revolutionäre Kraft als gesellschaftlich relevantes Zukunftskonzept erkennen, sie zeigt auch destruktive Ansätze.

Von Redecker will keiner Utopie folgen, die erst einmal die Welt wie sie ist abschaffen will. Ihre Art, Zukunft neu zu entwerfen, bleibt eher in der Tradition von Arendt und basiert auf deren Credo von Arbeiten – Herstellen – Handeln. Sie weist darauf hin, dass Vieles durch Hände geschaffen wurde und daher auch durch Hände verändert werden könne. Das Neue erschafft sich dabei aus dem Alten und braucht eine Zeit der Transformation. „Wenn wir eine Revolution und nicht nur einen spektakulären Zusammenbruch sehen wollen, müssen wir aus den Zwischenräumen des Alten bereits das Neue schaffen.“ Von Redecker denkt Revolution in Form einer Selbstermächtigung: Sie kritisiert die Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse und setzt daneben einen universalen Ansatz des Teilens.

In der Verdinglichung sozialer Beziehungen, im Arbeitskontext, aber auch im familiären und geschlechterspezifischen Umfeld lassen sich nach von Redecker die zerstörerischen Folgen eines ungebremsten Kapitalismus erkennen. Den alltäglichen Druck und Zwang nach mehr Effizienz enttarnt sie als nicht aufrecht zu erhaltendes Steigerungsspiel. Dem immerwährenden Wachstum verpflichtet, nötigt es uns alle zur ständigen Selbstoptimierung und Leistungssteigerung.

Gemeinschaft: Verantwortung aller.

Von Redecker entwickelt das Bild einer Gemeinschaft, die sich verpflichtet fühlt, natürliche und soziale Ressourcen zu wahren. In diesem zukunftstauglichen  Miteinander lassen sich Leben, Arbeit, Güter und Eigentum unter den Aspekten der Regeneration, des Teilens und des Bewahrens definieren.

Den öffentlichen Raum auch für ein Ringen um Entscheidungen legt sie in die Hände aller. Hier knüpft sie an Arendt an und gibt deren „Denken ohne Geländer“ eine praktische Bedeutung, was notwendig scheint, will man die Ursachen des Klimawandels oder die Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen überwinden.

Revolution für das Leben überzeugt mit einem „augenöffnenden Blick auf aktuelle Proteste“ (Petra Ahne in der Berliner Zeitung) und der Vision einer nicht mehr von Umweltzerstörung bedrohten und gerechteren Welt. Dabei gilt es, Gruppendenken zu überwinden und gesellschaftliche Probleme gemeinschaftlich anzupacken.

Eva von Redecker: „Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen“
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020
216 Seiten, 23 Euro

Muss die Idee der Freiheit neu gedacht werden? Darüber sprach die Philosophin Eva von Redecker in der ZEIT-ONLINE-Reihe „Die blaue Hand“. Sehen Sie auf ZEIT-ONLINE das Video.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner