Am 7. Dezember fand die dritte und abschließende Veranstaltung der Reihe Wirtschaften mit globaler Verantwortung unter dem Titel „Menschenrechte in globalen Lieferketten“ statt.
Alle drei Vorträge sind auf dem YouTube-Kanal Studiyoo abrufbar. Veranstaltet wurde die Reihe von Engagement Global in Kooperation mit ISSO.
Das Thema Lieferketten könnte aktueller kaum sein: In Deutschland wird infolge des zivilgesellschaftlichen Engagements über ein entsprechendes Gesetz verhandelt, die Schweiz hat erst vor etwas mehr als einer Woche (entgegen des Mehrheitsvotums) vorerst gegen eine ähnliche Regelung entschieden und in Österreich beginnt gerade eine Kampagne zum Thema. Und auch der vorangegangene Vortrag von Prof. Dr. Reinhard Loske thematisierte die Vulnerabilität, die sich aus Überglobalisierung und komplexen Lieferketten ergibt.
Lieferketten und der Schutz von Menschenrechten entlang dieser sind also derzeit in aller Munde und politisch mehrheitsfähig. Doch wie kommen wir nun zu einer effektiven gesetzlichen Umsetzung?
Moderiert von Christina Berthold (Engagement Global) diskutierten Tim Zahn (Oxfam) als Experte für globale Lieferketten, Achim Trautmann (BUND) als Fachpromotor für öko-soziale Beschaffung und Martin Görlitz (ISSO).
Den Einstieg ins Thema leistete Tim Zahn mit seiner kurzweiligen Präsentation, in der er unter anderem den Oxfam-Supermarktcheck vorstellte und das Publikum per Live-Abstimmung einbezog. Am Beispiel von Bananenpreisen wurde im Vortrag deutlich, welche Probleme in globalen Lieferketten entstehen können, und dass Konsument*innen und Unternehmen im Globalen Norden dafür Verantwortung tragen, wie es den Menschen geht, die auf der ganzen Welt an der Produktion unserer Konsumgüter beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund ging es anschließend um ein Lieferkettengesetz, wie es aktuell diskutiert wird. Die Kernforderung lautet dabei: „Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kaufnehmen, müssen dafür haften. Skrupellose Geschäftspraktiken dürfen sich nicht länger lohnen.“ So ein Haftungsmechanismus ist notwendig, weil eben bisherige Versuche, wie freiwillige Selbstverpflichtungen, die Situation nicht hinreichend verbessern konnten. Abschließend griff der Referent ein weiteres Beispiel aus seiner persönlichen Expertise auf und berichtete, wie die Covid-19-Pandemie dazu geführt hat, dass in Asien zeitweilig mehrere Millionen Menschen durch unbezahlt stornierte Aufträge westlicher Textilunternehmen ihre Arbeit verloren und in Existenzsorgen gerieten.
Von dieser globalen Perspektive schlug Achim Trautmann den Bogen zum regionalen und lokalen Engagement der Initiative Lieferkettengesetz. So ist in den letzten Monaten auch in Rheinland-Pfalz ein breites Bündnis, an dem unter anderem Gewerkschaften und Kirchen beteiligt sind, entstanden und hat bis zum Sommer 222.222 Unterschriften für ein wirksames Lieferkettengesetz gesammelt. Das Koblenzer Netzwerk organisierte zuletzt die Übergabe eines „Wunschzettels“ an die Koblenzer Bundestagsabgeordneten. Und wer mit offenen Augen in Koblenz unterwegs ist, entdeckt vielleicht auch die „nachhaltigen Schokoladen-Weihnachtsmänner“, die in einigen Geschäften auf das Thema aufmerksam machen. Abschließend betonte Achim Trautmann, dass sich das Möglichkeitsfenster, um ein Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen, langsam schließt und öffentliches Engagement weiterhin notwendig bleibt. Dazu kann man beispielsweise eine E-Mail an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schreiben.
In der ausführlichen Diskussion nach den Vorträgen ging es insbesondere um die Publikumsfrage, weshalb denn die Unternehmensgröße für die Anwendung eines Lieferkettengesetzes relevant sei. Alle Beteiligten waren sich einig, dass inhaltliche Gründe hier nicht gelten können und das Ansinnen, kleinere Unternehmen nicht zu überfordern, zwar nachvollziehbar sei, aber nicht vor der Übernahme von Verantwortung schützen dürfe. Martin Görlitz berichtete aus seiner persönlichen Erfahrung als Unternehmer, dass über die Jahre eingeführte Sorgfaltspflichten auch von kleineren Unternehmen erfüllt werden mussten – und konstatiert: „Wir bekamen gesetzliche Auflagen – und wir haben sie gemacht.“ Im Zuge der Diskussion, die auch zahlreiche weitere Aspekte eines wirksamen Lieferkettengesetzes zum Thema hatte, wurde überdies deutlich, dass der Begriff Lieferketten inzwischen nicht mehr wirklich passt, sind Unternehmen doch eingebunden in Netzwerke und beeinflussen einander stark. Umso wichtiger also, dass es positive Vorbilder gibt, genau wie in der Diskussion um eine EU-weite Regelung, für die Tim Zahn ein deutsches Lieferkettengesetz als Verhandlungsgrundlage vorschlägt.
Der Schutz von Menschenrechten in globalen Lieferketten ist, wie durch die Referenten aufgezeigt wurde, sehr aktuell und bedarf jetzt einer wirksamen gesetzlichen Umsetzung. Nachdem die Zivilgesellschaft sich dafür, gerade auch regional, schon erfolgreich stark gemacht hat, braucht es nun eine bundespolitische Umsetzung. Diese kritisch zu begleiten bleibt dabei wichtig. Einmal verabschiedet, wäre ein Lieferkettengesetz dann – je nach Ausgestaltung – zumindest ein erster Schritt zu fairerem Handel und besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit. Für uns als Konsument*innen würde das mehr Transparenz beim Einkauf von Produkten, deren genaue Herkunft und Herstellungsbedingungen bisher oft im Dunkeln bleiben, bedeuten. So würden ethischer und bewusster Konsum gestärkt und die Reflexion von Konsumentscheidungen im Allgemeinen befördert.