Wenn wir ein neues Smartphone oder ein Paar Schuhe kaufen, haben wir in der Regel keinen Bezug zu denjenigen, die dieses Produkt für uns hergestellt haben. Dabei geht es nicht nur darum, wer beispielsweise ein Handy schließlich zusammengebaut hat, denn der Weg zum Endprodukt beginnt schon viel früher. Von den Rohstoffen bis zum Endprodukt im Laden führt dabei oft ein langer Weg, bei dem auch die Nachhaltigkeit häufig auf der Strecke bleibt: die Lieferkette. Dabei haben wir meist zumindest ein diffuses Gefühl davon, dass es entlang dieser Kette nicht immer ethisch korrekt zugeht. In den letzten Jahren haben vor allem Medienberichte über Katastrophen wie den Brand einer Textilfabrik in Pakistan immer wieder die eklatanten Menschenrechtsverletzungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Zuletzt antworteten nur 400 von den ca. 3.000 kontaktierten Unternehmen in einer Befragung der Bundesregierung zur Erfüllung schon bestehender Selbstverpflichtungen – und nur jede fünfte dieser Firmen erfüllt jene. Es besteht also Handlungsbedarf.An einer Lösung, die über freiwillige Verpflichtungen von Unternehmen hinausgeht und effektiv die Rechte der Menschen, die unseren Lebensstil ermöglichen, schützt, arbeitet seit letztem Jahr die Initiative Lieferkettengesetz.
Der Zusammenschluss aus zivilgesellschaftlichen Gruppen hat seit letztem Herbst 222.000 Unterschriften gesammelt und der Bundesregierung vorgelegt. Die zentrale Forderung des Bündnisses ist eine einklagbare Verpflichtung für Unternehmen, die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten zu garantieren. Aktuelles Motto: „Statt Moral Distancing braucht es jetzt einen gesetzlichen Rahmen.“ Das Netzwerk stützt sich mit seinen Forderungen auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass eine gesetzliche Lösung gefunden werden soll, wenn Selbstverpflichtungen nicht ausreichen.
Durch die erfolgreiche Arbeit der Initiative und als Ergebnis der enttäuschenden Unternehmensbefragung hat sich nun auch die Bundesregierung zum Handeln entschlossen: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben gemeinsam einen Entwurf für ein deutsches Lieferkettengesetz vorgelegt; auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt das Vorhaben.
Seit Beginn des Vorhabens regt sich allerdings auch erheblicher Protest gegen eine gesetzliche Regelung: Insbesondere Wirtschaftsverbände lehnen eine verbindliche Regelung mit Sanktionsmechanismen ab und betreiben Lobbyarbeit dagegen. Und auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigt sich skeptisch und will den Prozess eher verzögern. Kritisiert wird vor allem, dass von Unternehmen nicht erwartet werden könne, als „Polizei“ all ihre Lieferanten und Dienstleister zu kontrollieren – weswegen es ungerechtfertigt sei, Sanktionen für deren Fehlverhalten auszusprechen. Zudem sei eine nationale Herangehensweise problematisch, da deutschen Firmen so erhebliche Nachteile auf dem Binnenmarkt entstünden; einige Stimmen fordern deshalb eine Lösung auf EU-Ebene. Es steht also die Frage im Raum: Ist es für Unternehmen, die ihre Produkte in Deutschland verkaufen, zumutbar, Menschenrechte über globale Lieferketten hinweg zu garantieren?
Ganz klar mit „ja“ beantwortet diese Frage Heinz Bachschuster vom Weltladen Koblenz. Er verweist auf den Fairen Handel als Positivbeispiel:
„Der faire Handel und insbesondere die Weltläden sind Vorreiter bei in der Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Sorgfaltspflichten und die Akteure haben dabei viel Erfahrung gesammelt. Die Einhaltung der Menschenrechte und nachhaltige Produktion waren von Beginn an wesentliche Bestandteile der Kriterien des fairen Handels. Somit kann bei der Diskussion um ein Lieferkettengesetz der Faire Handel als Best-Practice-Beispiel dienen.“
Insgesamt hat die Initiative fünf Mindestanforderungen an ein Lieferkettengesetz formuliert, die unter anderem auch Umweltzerstörung als Kriterium beinhalten. Für Heinz Bachschuster ist besonders wichtig, dass ein neues Gesetz nicht hinter bestehenden Standards der UN für Wirtschaft und Menschenrechte zurückfällt und dass Geschädigte ihre Ansprüche gegenüber Unternehmen vor deutschen Gerichten geltend machen können. Hier dürfe es keine Schlupflöcher geben. Er betont weiterhin, dass Weltläden sich über ihre Handelstätigkeit hinaus in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv für verantwortungsvollen Konsum engagieren. Zudem verweist man seitens der Initiative darauf, dass ein Lieferkettengesetz kein Wettbewerbsnachteil sein muss – im Gegenteil: es könnte Märkte stabiler und krisenfester machen.
Auch die Idee einer europäischen Lösung wird von den Befürworter*innen eines Lieferkettengesetzes aufgegriffen. Ein Ansatz ist es, das „Versanden“ des Projekts in der europäischen Bürokratie zu verhindern. Das Ziel: mit einem nationalen Gesetz einen europaweit beispielhaften Standard setzen, an dem sich weitere Vorhaben orientieren können.
Bei der Diskussion um das Lieferkettengesetz geht es letztlich um die Frage, wie wir global miteinander leben und wirtschaften. Bisher geschieht das vor allem auf Kosten der Menschen in Ländern des globalen Südens. Nicht nur zunehmende Konflikte und die wechselseitige Abhängigkeit von einem weltweiten Warenverkehr, sondern auch unser eigener Anspruch sollten uns klar machen, dass Gewinne auf Kosten anderer nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben können. Denn das eigentlich Revolutionäre an der Idee der Menschenrechte ist schließlich deren allgemeine Geltung, für alle Menschen.
Wer sich für fairere Lieferketten einsetzen will, kann einerseits im eigenen Einkaufsverhalten darauf achten und sich zudem im Netzwerk Koblenz der Initiative Lieferkettengesetz engagieren. Als Nächstes sollen die Bundestagsabgeordneten aus Koblenz einbezogen werden: Sie wurden um Stellungnahmen zum Thema gebeten, die zur Grundlage von weiterer Diskussion und Öffentlichkeitsarbeit werden sollen. Für Koblenz ist der Ansprechpartner Achim Trautmann (Regionalpromotor für öko-soziale Beschaffung). Zusammen mit dem Regionalbüro Koblenz des BUND findet man ihn im Dreikönigenhaus im I.OG.
Text: Felix Schaaf, ISSO.
Mehr Gedankeanstöße zu Nachhaltigkeit in Koblenz gibt es im ISSO-Blog.