„Was macht und was kann die Philosophie, und was trägt sie zur Gesellschaftsgestaltung bei? Philosophisch denken heißt, gegen etwas anzudenken, gegen den schönen Schein, gegen die (Selbst)Beruhigung, gegen die Zumutungen unserer Welt. An zwei Alltagsgegenständen, die zurzeit im Zentrum seiner Forschung stehen, möchte der Philosoph und politische Ökonom Oliver Schlaudt, dies zeigen: Geld und Müll. Sie sind nicht, was wir denken, und sie gehen uns viel mehr an, als wir denken. Um ihnen gerecht zu werden, müssen wir philosophisch denken, dass ist sein Credo.

Um das Thema Müll aufzuspüren, hat sich der Hochschuldozent auf eine eigentümliche Deutschlandreise begeben: dabei geht es ihm darum verborgene, aber spektakuläre Wahrzeichen unserer Müllkultur aufzusuchen – u.a. die weltweit größte Untertagedeponie für gefährliche Abfälle im hessischen Heringen, einen gigantischer Abwasserkanal bei Essen oder eine Tierkadaververwertungsanlage hier an der Mosel. Orte, die wahrscheinlich nur wenigen Menschen überhaupt bekannt sind, wenn sie nicht gerade dort in der unmittelbaren Nähe wohnen oder selbst dort arbeiten.

Bild: HfGG Oliver Schlaudt im Podiumsgespräch

Schlaudt nennt Müll oder Orte wie diese – die blinden Flecken der Ökonomie. Indem er seinen Finger auf eine Wunde unserer Produktions- und Konsumgesellschaft legt, deckt er unser Verhältnis zum Müll auf. Wenn wir unser persönliches oder gesellschaftliches Verhältnis zum Müll überhaupt zugeben wollen. Ein Thema, welches gerne verdrängt wird. Nichts was zum Mainstream von Design, Funktionalität und Schönheit wirklich passt.

Müll und Abfall spielen beide scheinbar nur dann eine Rolle, wenn die Müllabfuhr nicht regelmäßig kommt. Während Müll aber vielleicht noch recyclingfähig oder verwendbar ist, ist Abfall für den Soziologen Andreas Nebelung (Universität Gießen) nicht „natürlich“, denn er wurde produziert. Und er wird verschoben, vergraben oder verbrannt und somit in die Unsichtbarkeit verbannt. Es drängen sich in dem Umgang mit Müll und Abfall Fragen auf: Wie kommt es zu einer solchen Externalisierung?  Wieso lässt sich das Vermüllen des Planeten so einfach verdrängen? Welche kulturellen Bedingungen erlauben das? Welche Werte sprechen dagegen? Und dürfen wir auf eine technische Problemlösung hoffen?

Also, für alle die sich auch mal die Hände schmutzig machen wollen –  gerne mal  reinlesen in „Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise“, erschienen bei @c.h.beckliteratur und wunderbar illustriert von @swaantje_guentzel

Zum Autor

Oliver Schlaudt ist Professor für Philosophie und Politische Ökonomie an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz. Nach seinem Physik- und Philosophiestudium promovierte und habilitierte er an der Universität Heidelberg, hatte Gast- und Vertretungsprofessuren in Paris und Freiburg inne und war Gastforscher in einer archäologischen Forschungsgruppe der Universität Tübingen. Seine Professur an der HfGG ist Teil des renommierten Heisenbergprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit Fragen der Technik-, Kultur und Wissenschaftsphilosophie mit einem besonderen Interesse an Ökonomie und kognitiver Archäologie. Die Themen Geld und Müll werden in seinen kürzlich erschienen Büchern behandelt: Kleine Philosophie des Geldes im Augenblick seines Verschwindens (Matthes & Seitz 2024) und Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise (C.H. Beck 2024). Letzteres war u.a. Buch des Monats beim Deutschlandfunk.

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