Bildquelle: juergen-becker-kabarettist.de

Zu allen Zeiten haben Hofnarren, Komiker und sonstige Lustigmacher (so eine alte Berufsbezeichnung) für ihre Späße aus dem unmittelbaren gesellschaftlichen und politischen Geschehen geschöpft. Sie hatten zwar den Auftrag, für Stimmung zu sorgen, durften aber auch mehr oder weniger derbe auf die Probleme ihrer Zeit und ihrer jeweiligen Herren hinweisen, exkulpiert mit der sprichwörtlichen Narrenfreiheit. Vielleicht war der Grad der Narrenfreiheit aus heutiger Sicht auch ein Maß für die Offenheit der Gesellschaft insgesamt. Den umgekehrten Fall kennt man auch, dass in totalitären Staaten der kritische Künstler in Gefahr lebt, selbst wenn er nur scheinbar inkorrekte Zeichnungen veröffentlicht.

Vor einigen Wochen waren wir auf einem Abend bei Jürgen Becker, dem bekannten Kölner Kabarettisten. „Die Ursache liegt in der Zukunft“ lautet sein aktuelles Programm, fein getitelt, die Erklärung sucht man allerdings bis zum Schluss und damit hält sich die Spannung. Das Außergewöhnliche an diesem Programm ist, dass Becker eigentlich ein volles Umweltprogramm fährt: Es geht meist um Konsum, Klimawandel und Zukunftssorgen. Im Zwiegespräch oder ans Publikum gewandt, zeigt er deutlich auf viele gesellschaftspolitische Missstände und sucht nach Ursachen aber auch nach Lösungen.

Seine Darbietung ist Kabarett der besten Art, nicht belehrend, nicht düster. Immer wieder rennt Becker erzählerisch in einen scheinbar unerträglichen Sachverhalt und schafft es dann mühelos, mit dem Brennglas einen kleinen Leuchtpunkt zu finden, der das Publikum erheitert und zum Handeln anregt.

Das Prinzip Verantwortung (in Anlehnung an Hans Jonas), so hätte das Programm auch heißen können.  Aber Becker belehrt nicht, er bleibt auf der Linie des Kabaretts, das vor allem unterhalten will. Und er versteht sein Handwerk. Seine Wortwitze sind geistreich, seine Übergänge intelligent, seine Botschaften menschenfreundlich. Dabei spart er schwierige Themen nicht aus, wie beispielsweise die Frage, ob Grund und Boden wirklich Privatbesitz sein müssen und was eine Vergesellschaftung mit sich brächte. In einfacheren Passagen geht es dann um die Digitalisierung, den Online-Handel oder die Umwelteinflüsse des Fliegens. Praktische Tipps und Wortspielereien (ein ziemlich sicheres Passwort ist „Blutwurst“) runden den Abend ab. Das Auditorium hat Spaß, lacht über seine Beiträge und lacht sich an, wissend, da ist so manches klug herausgearbeitet und auf den Punkt gebracht oder um im Jargon der Kölschen zu bleiben – Dat es kenne Verzäll – do es jet Wohres draan.

Wir wissen nicht, wie genau die Hofnarren früherer Zeiten ein Indikator für den Zustand ihrer Gesellschaften waren:  An diesem Abend mit Jürgen Becker blieb kein Auge trocken, und die Anwesenden kamen vielfältig auf ihre Kosten, indem sie zwei Stunden gute Laune, rheinischen Frohsinn, ein leckeres Kölsch (welches Becker zum Verteilen mitbrachte), viele neue Erkenntnisse über die Weltlage und die menschliche Misere erlangten. Die Nachdenklichen werden sich vielleicht gefragt haben, wie es um unsere Welt bestellt ist, wenn ein Kabarettist sein gesamtes Programm dem Thema Klimawandel widmet. Und so mancher wird sich selbst fragen, weshalb lassen sich die sachliche Diskussion weniger gut ertragen, als das Programm und Jürgen Becker in seiner Rolle als gesellschaftlicher Berichterstatter? Darauf findet sich keine verlässliche Antwort oder vielleicht doch „Die Ursache liegt in der Zukunft“.

Wer es nicht zu einem Auftritt schafft: Das Programm ist zum großen Teil auch in dem Buch „Die Zukunft war auch schon mal besser“ zu finden.

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