Ausstellung in der Bundeskunsthalle anlässlich von Kants 300. Geburtstag

Am 22. April 2024 jährt sich der Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) zum 300. Mal. Die Bonner Bundeskunsthalle nimmt dies zum Anlass, sich dem Werk Kants ausgehend von seinen vier philosophischen Grundfragen, den „offenen Fragen“ zu nähern:

Bildquelle ISSO

Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Was ist der Mensch?

Die ersten drei Fragen stehen stellvertretend für Kants drei Hauptwerke, die „Kritiken“:

Kritik der reinen Vernunft (1781)
Kritik der praktischen Vernunft (1788)
Kritik der Urteilskraft (1790)

Die vierte Frage entwickelte Kant in einem späteren Werk, sie umfasst inhaltlich die anderen drei Fragen. „Kritik“ ist zu Kants Zeit nicht im heutigen Sinne als eine Art des „Bemängelns“ zu verstehen, sondern eher als eine „prüfende Beurteilung“. Seinen wohl berühmtesten Begriff, den „kategorischen Imperativ“, erklärt Kant in der Kritik der praktischen Vernunft wie folgt:

„Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“

Die vier Fragen verleihen der Ausstellung ihre Struktur, denn nach ihnen sind die Räume gegliedert, in denen die Besuchenden den Denkwelten Kants mit unterschiedlichen medialen Aufbereitungen begegnen können.

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Die historische Person Immanuel Kant war aufs Engste mit der preußischen Residenzstadt Königsberg verbunden. Die moderne Museumstechnik erlaubt eine virtuelle Reise in die östliche Handelsmetropole und demonstriert die außergewöhnliche Schönheit des barocken Königsbergs. Nicht nur typische Handelswaren, sondern auch Informationen erreichten und versorgten den 73 Jahre – also fast sein ganzes Leben lang – hier lebenden Philosophen. Neben Lissabon im Süden war Königsberg im Osten ein Tor zur Welt. Zu den Reisenden seiner Zeit zählte Kant ja nicht unbedingt, wie allgemein bekannt ist. Sein Wirkungskreis konzentrierte sich auf seine Heimatstadt und das nahe Umfeld. Mehrere Angebote anderer Universitäten lehnte er ab. In seiner häuslichen Umgebung bestimmte eine strikte Zeiteinteilung seinen Alltag. Visualisierungen an den Wänden zeigen einige seiner Gewohnheiten und Rituale auf, so z.B. seinen täglichen Spazierweg sowie alltägliche Gebrauchsgegenstände inklusive typischen Lebensmitteln.

Regelmäßige und lockere Gesprächskreise fanden u.a. auch im privaten Rahmen statt, z.B. bei sogenannten Tischgesellschaften in Kants Haus, denn Kant war – anders als vielleicht zu erwarten – nicht nur ein großer und disziplinierter Denker, sondern auch ein sehr geselliger Mensch. Dieser Gedankenaustausch diente Kant als Forum für politische Debatten und ermöglichte Diskussionen über seine Thesen und Annahmen.

Kants Beiträge zur Aufklärung, Ethik, Emanzipation, Erkenntnistheorie und zum Völkerrecht waren bahnbrechend und haben bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren. Mit ihm verbindet sich der Leitspruch der Aufklärung sapere aude als Einladung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen – ein Bekenntnis vieler Universitäten und Schulen weltweit bis heute. Und die Basis der abendländischen Philosophie, auf der viele Philosophinnen und Philosophen ihre eigenen Werke aufbauten. Zu diesen gehört auch Hannah Arendt, die 200 Jahre später in Königsberg aufwuchs und dort die Schule besuchte.

Die Ausstellung ordnet das Denken Kants in den damaligen Zeitgeist ein und zeigt auf, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse und die damalige Welt bewegende Ereignisse – ausführlich behandelt wird das verheerende Erdbeben von Lissabon 1755 – seine Annahmen bzw. sein Urteil beeinflussten. Neben vielen informativen oder visuellen Beiträgen laden die Museumsbauer darüber hinaus ein, etwas auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. Das Zusammenspiel von subjektivem Erleben und objektiven Urteilen wird dabei sichtbar gemacht. Sicherlich ein Aspekt, bei dem Kant als Brückenbauer zwischen zwei Philosophiewelten (Empirismus und Rationalismus) ebenfalls eine besondere Rolle spielte.

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Zu guter Letzt gibt es eine Bibliothek, in der sich gedruckte Bücher befinden, einerseits die Schriften Kants, z.B. als Reclam-Hefte, wie wir sie in der Schule nutzten, andererseits sehr viel Sekundärliteratur inklusive Biografien über Kant oder zu weiterführenden Gedanken. Hier findet sich auch „Kant für Partys“, „Kant und das Klima“ oder „Das Zeitalter des Lebendigen – eine neue Philosophie der Aufklärung“ von Corinne Pelluchon, die im Jahre 2022 bei ISSO zu Gast war.

Um einen Ausstellungsbesuch vor- oder nachzubereiten, empfiehlt sich der ungewöhnliche Katalog zur Ausstellung, der nicht ohne Grund an eine moderne Graphic Novel erinnert:

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Immanuel Kant und die offenen Fragen. Eine Bilderreise von Antje Herzog und Thomas Ebers. Wienand Verlag, Köln (2023). ISBN 978-3-86832-785-4

Antje Herzog hat bereits 2017 die Graphic Novel Lampe und sein Meister Immanuel Kant im Büchergilde Verlag veröffentlicht. Viele der Bilder zur Ausstellung haben also eine „Vorgeschichte“. „Lampe“ ist der Name von Kants langjährigem Diener, der auch in der Ausstellung eine Rolle spielt.

Wer nach der Ausstellung noch mehr über Kant und seine Werke wissen möchte, der darf sich freuen: Im Herbst 2024 findet in Bonn ein Kongress zu „Kants Projekt der Aufklärung“ statt, den die Universität Bonn gemeinsam mit der Kant Gesellschaft ausrichtet. Eine Woche Fachvorträge, Workshops und Diskussionsrunden. Es gibt Tagestickets. Mehr Informationen unter:

https://www.kant2024.uni-bonn.de/de

Hier finden Sie noch einen passenden Podcast des WDR

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