Bild: canva.com

„Ich muss schnell noch etwas besorgen“ – diesen Satz hat wohl jeder von uns schon einmal gesagt, aber hat er/sie auch darüber nachgedacht? Schauen wir uns das Wort „besorgen“ einmal genauer an: Im ursprünglichen Sinn heißt es so viel wie „sich um etwas kümmern“. Dieses Wort gibt es, ausgehend vom lateinischen procurare, praktisch in jeder europäischen Sprache. Es ist also ein sehr altes Wort, älter als zum Beispiel „einkaufen“. Die ursprüngliche Bedeutung – also das Umsorgen, die Fürsorge, das Sich-Kümmern um eine Sache oder einen Menschen – zeigt an: Etwas ging von mir aus, ich habe anderen geholfen, für sie gesorgt.

Heute ist „besorgen“ eher ein Begriff der Konsumkultur. Wenn wir sagen, es sei etwas zu besorgen, dann geht es wahrscheinlich um einen Einkaufsvorgang. Da ist auf dem Weg von der Fürsorge zum heutigen Verständnis von „besorgen = einkaufen“ nicht nur einiges an Bedeutung verloren gegangen, diese hat sich geradezu umgekehrt.

Hier lässt sich ein gesellschaftlicher und kultureller Wandel ganz deutlich an der veränderten Wortbedeutung wahrnehmen: Aus Fürsorge wurde Konsum. Sprachforschende werden bereits untersucht haben, wann und in welcher Weise dieser Bedeutungswandel abgelaufen ist. Das geht hin bis zur heutigen Sorge, dass das Toilettenpapier zur Neige gehen könnte. Welch eine Verschiebung von Prioritäten!

Wir als Nicht-Sprachforschende dürfen kreativ sein, gerade vor Weihnachten. Interpretieren wir „besorgen“ doch mal so: Ich hole mir eine Sorge ins Haus, ich beschaffe einen Gegenstand, wissend, ihn irgendwann wieder ent-sorgen zu müssen. Da schließt sich nicht nur ein sprachlicher Kreis, wir blicken nachgerade in die Zukunft dieser Wortbedeutung: besorgen mit dem Blick auf entsorgen. Ob man statt „einkaufen“ zukünftig auch „vor-entsorgen“ sagen wird?

Klar ist auf jeden Fall, unsere Sprache entwickelt sich immer weiter und sie passt sich den Gegebenheiten an. Das Wort „Sorge“ bleibt uns aber erhalten, und nicht nur im sprachlichen Sinne: Aus der Fürsorge den Menschen gegenüber wird nun eine Fürsorge der Natur gegenüber. Mit dem Kauf von Materialien entfällt auf uns eine Pflicht zur Nachsorge, zum Ent-sorgen. Das klingt andererseits durchaus machbar.

Damit uns ein neuer Umgang mit dieser Sorge direkt in Fleisch und Blut übergeht, fangen wir am besten gleich jetzt in der Vorweihnachtszeit damit an. Wir könnten zum Beispiel direkt beim Kauf nachfragen, wie und wo wir bestimmte Dinge entsorgen dürfen. Geteilte Sorge ist schließlich nur noch halbe Sorge – und dann auch besser auszuhalten. Das regt auch den Handel und die Unternehmen zum kreativen Denken an. Daraus ergibt sich der Blick in eine wünschbare und denkbare Kreislaufwirtschaft und eine deutlich ausgeprägtere Verantwortungsübernahme.

Mit der nötigen Empathie sind wir ja ausgestattet: Wenn wir uns in Menschen, Tiere und Natur einfühlen können und uns davon berühren lassen, dann sind wir vielleicht auch bereit, über gewünschte oder unerwünschte Wirkungen nachzudenken. Empathie kann auf verschiedene Weisen angewendet werden, neben dem Einfühlen lässt sich auch eine Art Vorausschau aktivieren, das heißt, wir können einen Blick in die Zukunft werfen und uns fragen: Was wollen wir, das geschehen soll? Denn schließlich und endlich geht es um unseren Planeten und natürlich darum, dass wir uns kümmern und unserem Wissen Taten folgen lassen. Und das darf ganz im Sinne Erich Kästners (1899–1974), des selbst ernannten „Schulmeisters“ und großen deutschen Schriftstellers, geschehen: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

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