Der vorliegende Beitrag versteht sich sowohl als Rückblick auf die Lesung von Tankred Stöbe aus seinem Buch „Mut und Menschlichkeit. Als Arzt weltweit in Grenzsituationen“ am 4. November 2023 wie auch als eine kurze Besprechung des Buchs selbst – beides ist in diesem Fall untrennbar miteinander verbunden.

Tankred Stöbe wollte als junger Mensch etwas Sinnvolles tun, sich mit den existenziellen Fragen des Lebens beschäftigen, für humanitäre Werte eintreten und sich immer wieder neuen Herausforderungen in der humanitären Hilfe stellen. Das hat ihn bewogen, Arzt zu werden – und Mitglied einer weltweit tätigen Hilfsorganisation, die für Menschen in Kriegs- und Krisenregionen medizinische Hilfe leistet: Ärzte ohne Grenzen.

Eine Hilfsorganisation könne keine militärischen Konflikte lösen, ein einzelner Arzt erst recht nicht, meint der Arzt Tankred Stöbe. Und weiter: Humanitäre Hilfe ließe sich vielleicht am ehesten mit einem Pflaster für eine offene Wunde vergleichen, und diesem Ziel hat er sich als Mediziner verschrieben, so wie es auch seine Kolleginnen und Kollegen tun, die Mitglieder von Ärzte ohne Grenzen bzw. international Médecins Sans Frontières sind. Für Stöbe geht es darum, das zu tun, was gerade in einer konkreten Situation und zu einer spezifischen Zeit möglich ist. Das kann eine Reanimation, eine Wundversorgung oder auch ein psychosoziales Gespräch sein. Die Bedarfe sind unterschiedlich. Es gilt immer – ob alleine oder auch vereint im Team –, Beistand und medizinische Versorgung sicherzustellen. Auch wenn man es sich nur schwer vorstellen kann, egal in welchem Krisengebiet er tätig war, für Stöbe lässt sich in jedem Krankenhaus der Welt ein Stück Normalität herstellen. Darin zeigt sich für ihn auch die gelebte Mission aller Hilfsorganisationen, die in Kriegs- oder Krisengebieten tätig sind. Seinen ersten Einsatz für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen absolvierte er 2002. Es folgten bis heute viele weitere Einsätze, u.a. auch aktuell im Gazastreifen und in der Ukraine.

Unabhängig und zum Wohle aller Menschen tätig

Für Stöbe hat die humanitäre Hilfe weltweit an Ansehen gewonnen. Nach seinem Eintritt in die Organisation übernahm er schnell Aufgaben des Vorstands und wurde 2007 zum Präsidenten der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen gewählt. In jedem Kriegsgebiet werden bestmögliche Sicherheitsaspekte für die Mitarbeitenden verhandelt. Das wird etwas vereinfacht durch die Unabhängigkeit von sämtlichen staatlichen, politischen oder religiösen Akteuren.

Sein humanitäres Engagement lässt sich auf vielen Seiten seines Buches nachlesen. Der Buchtitel ist passend gewählt: Es geht um Mut und Menschlichkeit. Vielleicht sind es auch die Geschichten, die ihn immer wieder antreiben und motivieren. Er behält dabei seine positive Sicht auf die Geschehnisse und auch einen Blick für denkbare andere Lösungen. Doch nicht immer kann er an menschlichen Gräueltaten vorbeisehen oder an deren katastrophalen Folgen. Und doch weist er auf den menschlichen Pragmatismus hin, den er weltweit vor allem beim medizinischen Personal antrifft: Humanitäre Hilfe gewinnt hier über religiöse oder politische Differenzen.

Mit seiner Entscheidung, Arzt zu werden, hat sich Stöbe für ein Leben nahe an existenziellen Fragen entschieden: Die konkrete Auseinandersetzung mit dem Tod gehört dazu. Und angesichts des möglichen, auch des eigenen Todes lebt es sich intensiver – ausgehend von diesem Credo, versteht man auch, weshalb von ihm als „Nothelfer“ keinerlei Bitterkeit oder Schwere ausgeht, sondern eher Leichtigkeit und Hoffnung.

Das Buch „Mut und Menschlichkeit. Als Arzt weltweit in Grenzsituationen“ aus dem Jahr 2019 ist eine Dokumentation über einige seiner Einsatzgebiete und über seine Erlebnisse im Einsatz als Arzt ohne Grenzen. Stöbe war es wichtig, die Geschichten der Menschen zu erzählen, denen er in seinen Einsätzen begegnete: sie vor dem Vergessen zu bewahren und ihnen eine Stimme zu geben – und sicherlich erhofft er sich, dass ihre Geschichten auf diese Weise in die Welt hinausgehen. „Ich habe weniger Angst vor den Schwierigkeiten dieser Welt, weil ich gesehen habe, was Menschen in Extremsituationen leisten können. Davon können wir viel lernen“, schreibt Tankred Stöbe in seinem Buch.

Zur Person:

Tankred Cornelius Stöbe, geboren am1. Februar 1969 in Nürnberg, ist ein deutscher Internist, Rettungsmediziner und Buchautor. Von 2015 bis 2018 war er Mitglied des internationalen Vorstandes von Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen), von 2007 bis 2015 stand er als Präsident der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen vor.

Die Bundesärztekammer zeichnete 2016 mit Stöbe „im Namen der deutschen Ärzteschaft einen Mediziner für seine ärztliche Haltung und seine unerschütterliche Einsatzbereitschaft“ mit der Paracelsus-Medaille aus, ihrer höchsten Auszeichnung. Er habe „weltweit zahllose Menschenleben gerettet und sich damit national und international auch um das Ansehen der deutschen Ärzteschaft in hervorragender Weise verdient gemacht“.

Im Jahr 2021 wurde Tankred Stöbe das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Stöbe, Tankred: Mut und Menschlichkeit. Als Arzt weltweit in Grenzsituationen. Fischer Taschenbuch Verlag 2019. 192 Seiten, 14,99 €, ISBN: 978-3-596-70439-2

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