Wie werden wir in Zukunft bauen?

Das Motto dieser Veranstaltung brachte am 26. Oktober rund 80 interessierte Gäste auf die Festung Ehrenbreitstein. Die Initiatoren GDKE, RVDL und ISSO standen für einen ausgewogenen Blick auf die Themenkreise Bauen, Denkmalschutz und Nachhaltigkeit. Entsprechend breit war der Bogen, den die Veranstaltung aufspannte. So gab es Anregungen sowohl für die Fachleute unter den Besuchern als auch für Eigenheimbesitzer*innen.

Im ersten Themenblock ging es um Bauen im Bestand und den Erhalt alter Bausubstanz. Hier verändert sich grade die Wahrnehmung sowohl der Ressourcenbewertung als auch der baukulturellen Einordnung. Rohstoffe werden nicht nur im Gegenwert dessen betrachtet, was ihr Neukauf kostet, sondern in ihrer Nutzungsdauer, erweitert um Entsorgungs- und Umweltkosten, Energieeinsatz und mehr. Plötzlich werden also die „wahren Kosten“ im globalen Sinne gesehen. Manches, was früher gedankenlos abgerissen wurde, erscheint deshalb heute gleich aus mehreren Gründen eher erhaltenswert. Das gelte nicht nur für Denkmäler, die ja nur etwa 3% des Gebäudebestandes ausmachen, wie der stv. Landeskonservator Markus Fritz-von Preuschen berichtete. Allerdings brauche es dazu neue Wege der Beurteilung und Entscheidungsfindung, meint die Architekturkritikerin Dr. Ursula Baus. Die umfassendere Abwägung der Bewertungskriterien für Abriss oder Neubau, bei Gebäuden im Innenstadtbereich oft verbunden mit großen Diskussionen in der Bürgerschaft, verlangen Planungsbehörden und Architekten, die auch in Moderationsprozessen erfahren sind. Sonst drohe Stillstand durch zu viele „Spezialisten“.

Im zweiten Block lag der Fokus auf Baumaterialien „gestern, heute und morgen“. Mit einem Filmausschnitt über Sand wurde vielen Teilnehmern erstmals bewusst, dass dieser Rohstoff keinesfalls unendlich verfügbar ist wie eben der sprichwörtliche Sand am Meer. Weltweit werden die Sandvorkommen geplündert, teils in mafiösen Strukturen. So kann auch Stahlbeton bald nicht mehr grenzenlos eingebaut werden.

Holz und Lehm, die seit Jahrhunderten genutzten Baustoffe, erfahren eine Renaissance. Ihre Gewinnung ist unendlich energiesparender als die Herstellung von Beton, aber auch Bauholz muss (nach)wachsen und kann nicht in beliebiger Menge hergezaubert werden. Insgesamt werden alle Rohstoffe knapper und wir Menschen müssen lernen, dass die Ressourcen unseres Planeten begrenzt sind. Die mindeste Pflicht ist eine weitgehende Wiederverwertung, die bislang allerdings oft nur auf einer niedrigeren Qualitätsstufe möglich ist. Im besten Fall kann Material wieder für denselben Zweck verwendet werden. So berichtete Herr Prof. Dr. Quarg-Vonscheidt aus der Hochschule Koblenz, wie bei Kanalarbeiten Aushubmaterial effektiv aufbereitet und wieder eingebaut werden kann, ohne einfach neuen Sand zu verbrauchen.

Die Abschlussdiskussion brachte nochmal einige überraschende Impulse. Martin Görlitz wies darauf hin, dass es in der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes keine Messgröße und damit keinen Indikator für nachhaltiges Bauen gibt. Beobachtet wird der Energieverbrauch von Gebäuden, was aber mit Dämmung und anderen Maßnahmen zu tun hat und nicht zwingend mit der Ökologie der Gebäude. Beobachtet wird auch der Verbrauch neuer Flächen. Der ist erfreulich stark zurückgegangen, allerdings auch durch statistische Tricks wie die Herausnahme von Militärflächen aus der Bemessung.

Joachim Rind, Präsident der Architekturkammer Rheinland-Pfalz, wies dazu auf einen Rebound-Effekt hin. Die Vorgabe im Städtebau richtet sich auf Nachverdichtung statt neuem Flächenverbrauch. Das beobachtet man auch in den Stadtteilen von Koblenz. Die Ausweisung neuer Wohngebiete am Stadtrand sei vielerorts der Erschließung innerstädtischer Brachflächen gewichen. Diese entstehen allerdings meist durch eine Verlegung von Gewerbebetrieben, die dann auf der sprichwörtlich grünen Wiese ein Vielfaches der früheren Fläche verbauen – ein klassischer Rebound-Effekt.

Aus dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung trug Herr Lars-Christian Uhlig, Leiter des Referats „Qualität im Städtebau“, eine erstaunliche Rechnung vor: In Deutschland fehlen pro Jahr scheinbar 400.000 Wohnungen. Die Wohnfläche je Wohnung betrug Ende 2020 im Mittel 92 m², die Wohnfläche je Einwohner 47 m². Der jährliche Bedarf wären danach knapp 37 Mio. m². Wäre jeder Einwohner allerdings mit nur einem Quadratmeter weniger zufrieden, wären auf einen Schlag 83 Mio. m² verfügbar. Würde unsere Gesellschaft sich nicht so vereinzeln, wie es der Trend ist, wäre wohl genügender Wohnraum für alle vorhanden.

Ein neuer Gedanke könnte sein, angelehnt an diesen Impuls von Herrn Uhlig, das Modell der städtebaulichen Nachverdichtung gedanklich auf den Gebäudebestand mit seinen bestehenden Wohnflächen auszuweiten. Die sehr innovative Idee einer Stadt – oder eines Initiators wie ISSO – könnte sein, Hausbesitzer zu ermitteln, die ein Interesse daran haben, ihr Haus modellhaft wieder mit mehr Personen zu beleben. Dazu bedarf es sicherlich einer soziokulturellen Erforschung. Daran könnten sich konkrete Baumaßnahmen, soziale Entwicklungen und daraus wiederum Leitlinien für eine nützliche Trendwende weg von „zu viel Wohnfläche pro Person“ ergeben. Das wäre eine nachhaltige Entwicklung im Bestand. Ansätze zu einer Reduzierung der individuellen Wohnfläche finden in kleinen Teilen ja statt, nämlich bei Projekten des Gemeinschaftswohnens, auf die Martin Görlitz hinwies. Es wäre sicher ein guter Ansatz, wenn sich dieser Gedanke weiter verbreiten und auch auf Investitionsbereitschaft treffen würde, denn immer mehr Wohnfläche ist kein gutes Konzept gegen die Vereinsamung in unserer Gesellschaft.

   

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