Kriege, Klimakatstrophe, ökonomische Frustration und vieles mehr – entfesselte Krisen haben Gesellschaften auf der ganzen Welt fest im Griff. Vielen Menschen fällt es zunehmend schwer, eine Vorstellung einer guten Zukunft zu entwickeln und Hoffnung zu finden. Die französische Philosophin Corine Pelluchon liefert nun einen Beitrag, der eine Idee vom Weg in eine nachhaltigere Gesellschaft vermitteln soll.

Mit ihrem neuen Buch knüpft sie an die „neue Philosophie der Aufklärung“ an, die sie in Das Zeitalter des Lebendigen (2021) entwickelt hat. Das Ziel der Autorin ist es, eine Übertragung der Theorie auf das persönliche Lebe entwickeln. Dazu schöpft sie auch aus ihren eigenen Erfahrungen und ihrem ganz persönlichen Wissen über den Zusammenhang von äußeren Umständen und individueller mentaler Gesundheit. Mit dieser Programmatik wendet sie sich an all diejenigen, die angesichts der multiplen Krisen verzweifelt sind und zum Beispiel Öko-Angst (eco-anxiety) empfinden und verspricht, einen Entwurf für mehr Hoffnung vorzulegen.

 

Video: Corine Pelluchon war 2022 Gast des ISSO-Instituts und referierte im Rahmen der Veranstaltung „Die Aufklärung heute neu denken

.Dabei plädiert Pelluchon für eine Haltung, die von Empathie getragen ist und Herrschaftsverhältnisse zwischen Menschen und Natur, insbesondere den Tieren, überwindet. In diesem Kontext hebt sie die Bedeutung der eigenen Verletzlichkeit und Sterblichkeit des Menschen hervor, derer sich bewusst zu sein erst eine Überwindung der destruktiven Denk- und Handlungsweisen erlaube. Im Zentrum der Überlegungen steht die Hoffnung, espérance, im Sinne einer Tugend. Gemeint ist ausdrücklich nicht der Optimismus oder die persönliche Erwartung, es werde schon alles gut werden. Es geht vielmehr um die Fähigkeit, die dazu verhilft, einen Weg nach vorne zu finden, wenn die Lage auch aussichtslos scheinen mag. Diese Form der Hoffnung beinhaltet das Negative, laut Pelluchon ist sie nur denjenigen zugänglich, die eine tiefe Verzweiflung durchgestanden haben.

„Hoffnung setzt voraus, dass man sich der gegenwärtigen Gefahren bewusst ist, aber lehrt auch, in der Gegenwart zu leben und an die Zukunft zu glauben.“

Die Leistung des Buchs liegt also darin, einen unverstellten, persönlichen Blick auf die Dinge zu wagen, der naiven Optimismus beiseitelegt, um auf philosophischer Basis zu ergründen, wie Wege nach vorne aussehen können – und wie eine besondere Form der Hoffnung uns einer lebenswerten Zukunft näherbringen kann. Ihre originelle Argumentation legt Pelluchon pointiert dar, wählt zugleich allerdings auch einige ungewöhnliche Metaphern und Symbole, in die sich Lesende zunächst einmal einfinden müssen. Die Übersetzung von Grit Fröhlich schafft es allerdings den speziellen, teilweise ins Poetische übergehenden Schreibstil adäquat ins Deutsche zu übertragen und macht das Buch gut lesbar.

Inwiefern die Partikularismen, die zur Illustration der einzelnen Themenkapitel verwendet werden, immer treffend gewählt sind, ist sicherlich diskutabel. So fokussiert Pelluchon sich auf ihre Empfindung der Öko-Angst und jene, die diese teilen, wodurch die Zielgruppe auf ein bestimmtes Milieu begrenzt wird. Zwar ist die zugrundeliegende Theorie durchaus universalistisch angelegt, doch die Präsentationsform macht sie nur bedingt gesellschaftlich anschlussfähig. Ähnlich verhält es sich mit den Bezugnahmen auf die spezifisch weiblichen Charakteristika, die einigen der Herausforderungen zugeschrieben werden und als sozial konstruiert kritisiert werden könnten. Zudem hätte es sicherlich zur Wirkungskraft des Buches beigetragen, stärker interkulturelle Bezüge herzustellen.

Corine Pelluchon ist Professorin für Philosophie an der Université Gustave Eiffel in Paris. Sie arbeitet unter anderem zu Moralphilosophie, Ökologie und Tierethik. Mit ihrer „neuen Philosophie der Aufklärung“ liefert sie einen Beitrag zur Debatte um eine nachhaltig lebenswerte Gesellschaft und der Überwindung destruktiver Herrschaftsverhältnisse. Zum Thema Hoffnung sprach sie kürzlich auch in der SRF Sternstunde Philosophie.

Die Durchquerung des Unmöglichen ist am 21. September 2023 im Verlag C.H.Beck erschienen (159 Seiten, 22€).

 

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