Der Veranstaltungsort Schloss Stolzenfels, linksseitig im Mittelrheintal gegenüber der Lahnmündung und namensgebend für den heutigen Koblenzer Stadtteil Stolzenfels, liegt inmitten eines großräumigen Landschaftsparks. Bauwerk und Parkanlage wurden durch Trockenperioden, wie wir sie bereits in den vergangenen Sommern erfahren haben, stark belastet. Der Klimawandel wird auch das Mittelrheintal stark verändern und braucht daher die notwendige Aufmerksamkeit, um mit vereinten Kräften unterschiedlicher Fachdisziplinen nach Lösungen zu suchen. Grund genug für eine Kooperation zwischen dem Institut for Social and Sustainbale Oikonomics (ISSO) und der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) in Rheinland-Pfalz.
Der Klimawandel ist längst Thema in Kunst, Film und Literatur. So gibt es in Anlehnung an Science Fiction ein ganzes Genre der sogenannten „cli-fi“ – climate fiction. Seit den 1970er Jahren bieten europäische und amerikanische Autoren sehr unterschiedliche Geschichten rund um die Auswirkungen des Klimawandels und seiner Folgen für Menschen, Pflanzen und Tiere. Erzählungen rund um Energie- oder Ressourcenkrise, Erderwärmung oder Naturkatastrophen gepaart mit wissenschaftlichen Erkenntnissen verflechten voraussehbare Risiken zu relevanten Geschichten.
Die Begrüßung erfolgte durch Angela Kaiser-Lahme, der Direktorin von Burgen, Schlösser, Altertümer der GDKE, die diese Veranstaltung als Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen im kulturellen Erbe vorstellte sowie durch Martin Görlitz, der die Aufgabe von Wissenstransfer und gesellschaftlicher Transformation als eine der Kernaufgaben von ISSO einem Institut der Martin-Görlitz-Stiftung ansieht.
Für die Veranstaltung wurden von Dr. Christa Grewe-Volpp zwei Romane mit sehr unterschiedlichen Geschichten ausgewählt. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin glaubt daran, dass Literatur zu einem anderen Verständnis beiträgt und eine andere Art der Verarbeitung ermöglicht. Grewe-Volpp ist außerplanmäßige Professorin für amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Mannheim, nun im Ruhestand und Mitglied bei Soroptimist International, einem international agierenden Netzwerk aktiver und berufstätiger Frauen, die sich für Frauen und Gleichstellung einsetzen.
Nach einer kurzen wissenschaftlichen Einordnung und dem Hinweis auf die Besonderheiten des menschengemachten Klimawandels, wies die Referentin noch einmal auf den aktuellen Stand von Fakten und Gegebenheiten hin, die als Basis für die von ihr ausgewählten Romane dienen. Denn cli-fi basiert auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und ist keinesfalls mit Fantasy Romanen zu vergleichen, die frei erfunden sind.
Büchervorstellung:
Das 2011 von Ilja Trojanow veröffentlichte Buch Eistau erzählt die Geschichte eines Mannes, der sein Leben als Glaziologe einem Alpengletscher gewidmet hat und Gletscher so sehr liebt, dass er an ihrem Sterben verzweifelt. Mit dem schmelzenden Gletscher reduziert sich auch sein Lebenswille. Er wendet sich von den Menschen ab, die er für schuldig befindet und wählt den Freitod.
Grewe-Volpp weist darauf hin, dass die fast tragikomische Umweltschützerfigur des Zeno nicht weiterhilft in der Fragestellung um notwendige Lösungen, die wir suchen und benötigen. Eine Identifikation mit dieser Romanfigur bietet wenig Hoffnung und Perspektive, die nützlich erscheint, mit den Anforderungen des Klimawandels fertigzuwerden.
Das 2012 von Barbara Klingsolver veröffentlichte Buch Das Flugverhalten der Schmetterlinge erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die auf einer Farm in Tennessee lebt und von einem brennenden Hügel, bestehend aus Millionen von Schmetterlingen überwältigt und beeindruckt wird. Die Abweichung der Monarchfalter von ihrer bekannten alljährlichen Route stellt für die Bewohner der Gegend ein nicht erklärbares Phänomen dar, durch das spirituelle und religiöse Erinnerungen reaktiviert werden. Erst ein naturwissenschaftliches Forscherteam bringt andere Erklärungen ein, und die Protagonistin lernt und erkennt für sich selbst, dass Wissen ein Schlüssel zu neuen Erkenntnissen und persönlicher Entwicklung sein kann.
Grewe-Volpp weist auf die Symbolkraft der Schmetterlinge hin, die ebenso wie der Original-Titel „Flight Behaviour“ von der Autorin bewusst gewählt wurden. Schmetterlinge, die sich aus eigener Kraft erst entpuppen, um dann eine Flugstrecke von bis zu 6000 km zu überwinden und dies als genetisches Erbe manifestiert haben, um dann bedingt durch äußere Einflüsse eine andere Route einzuschlagen. „Flight“ lässt sich somit auch als Flucht übersetzen, wenn die ursprüngliche Route bedingt durch Erderwärmung nicht mehr flugtauglich ist.
Diskussion:
Die Moderation erfolgte durch Beatrix Sieben, die Fragen und Kommentare aus dem Auditorium aufgriff und im Gespräch mit der Referierenden zu folgendem Ergebnis kam:
In Erwartung einer kommenden Katastrophe, mit einer Überflutung an Informationen, die bei uns allen Unsicherheiten auslösen, haben wir Menschen gelernt, bedrückende Fakten und Statistiken zur Seite zu schieben. Wir wollen alltagstauglich aktiv bleiben und uns nicht ohnmächtig fühlen. Auch das ist für uns alle lebenswichtig. Und vielleicht eine der Antworten, weshalb wir manchmal oder phasenweise die Dringlichkeit des Klimawandels zu ignorieren vermögen.
Grewe-Volpp verweist auf die Risikotheorien von Ulrich Beck und ordnet beide Bücher in diese Kategorie ein. Anders als Literatur oder Filme, die Situationen nach einer Katastrophe beschreiben, werden hier die Risiken aufgezeigt, um die Aufmerksamkeit auf diese zu lenken und an die Vernunft zu appellieren. Vernunft allein reicht aber nicht unbedingt aus. Es braucht unsere Emotionen, es braucht Empathie für andere Lebewesen und für die Natur als solches. Die Kulturwissenschaftlerin Grewe-Volpp weist auf einen Ansatz hin, der Natur und Kultur im Einklang sieht. Der Begriff „Nature-culture“ wurde von der Philosophin und Autorin Donna J. Haraway geprägt. Der Mensch wird hier als Teil der Welt betrachtet, die er nicht beherrscht, sondern die er mit anderen Lebewesen in wechselseitiger Abhängigkeit bewohnt.
Der Roman von Klingsolver bietet uns mit seinem offenen Ende eine hilfreichere Perspektive als der Roman von Trojanow, denn er zeigt denkbare Veränderungsoptionen auf und bestärkt uns darin, dass es spät, aber noch nicht zu spät ist, um notwendige Gegebenheiten zu ändern, vielleicht auch das eigene Leben.
Im Anschluss an die Veranstaltung bedankte sich Dorothea Wagner als Präsidentin des Koblenzer Clubs der Soroptimistinnen bei Christa Grewe-Volpp und überreichte im Namen vieler anwesender Soroptimistinnen ein von Editha Pröbstle entwickeltes Wasser-Würfel-Spiel.
Text: Beatrix Sieben (ISSO)