Aktuelle Studie von Greenpeace USA stellt verheerendes Zeugnis aus

Auch wenn manchmal auf der Straße noch ein Plastikbecher liegt: Wir Deutschen halten uns für mustergültige Plastiksammler und Abfallvermeider. Plastiktüten werden gefühlt immer weniger, wir gehen mit der Tragetasche zum Einkauf, verwenden Mehrwegbecher und trennen jeden Müll. Die offiziellen Statistiken geben uns recht: Deutschland ist spitze in der Wiederverwertung von Plastik. Geraten wir allerdings in eine Diskussion mit einem der vielen Negativdenker und Systemverweigerer, dann wird es schnell eng. Wieviel wird denn tatsächlich recycelt, und was passiert da stofflich genau? Und könnte es sein, dass die Erfolgsgeschichten zum Recycling vor allem der Industrie dazu nützt, von der weiter steigenden Menge der hergestellten Plastikstoffe abzulenken? Die Argumente sind nicht von der Hand zu weisen.

Ein schlimmes Zeugnis stellt eine aktuelle Greenpeace-Studie dem Recycling-System in den USA aus. In einer Pressemeldung vom 24. Oktober bezeichnet Greenpeace das Recycling in den USA als gescheitert. Die Quoten des überhaupt eingesammelten Materials sind danach seit Jahren rückläufig, und das meiste Material sei überhaupt nicht recyclingfähig. Da bleibt dann nur noch die „thermische Verwertung“, also das Verbrennen bei sehr hohen Temperaturen, damit nicht zusätzlich zum CO2 eine Menge schädlicher Emissionen entstehen. Aus der ungeheuren Menge von 51 Millionen Tonnen an Plastikabfällen (2021) seien nur 5 bis 6% einer Verwertung zugeführt worden.

Vermüllter Strand – Schönen Urlaub! (Bild: Pixabay)

Der wunderbare Kunst-Stoff ist wie sehr viele andere unserer technischen Produkte nicht vom Ende her gedacht, sondern nur mit dem Ziel seiner einfachen und „praktischen“ Anwendbarkeit. Hygienisch unbedenklich kann er für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden, gut, außer es wird Bisphenol (BPA) freigesetzt oder ein anderer Stoff, der anerkannt gesundheitsschädlich ist. Bisphenol A findet sich in den meisten Plastikflaschen, und beim Anfassen eines Kassenbons kann man es sich in die Haut reiben. Plastik ist also schon in seiner Verwendung keinesfalls unproblematisch.

Bilder von vermüllten Stränden und Flussläufen zeigen uns eindrücklich, dass am Ende der Verwendung von Kunststoffartikeln ein dramatischer Handlungsbedarf besteht. Dieses Ende sehen wir nicht beim Blick auf das verpackungsgefüllte Regal im Einkaufsmarkt, denn anders als beim Tabak stehen auf den Artikeln keine warnenden Bilder wie „ACHTUNG, Plastik tötet Tiere, vermüllt Deine Umwelt“. Das Recycling von Plastik hat einige Probleme, die man als Konsument ungern wahrnimmt, und diese Probleme gelten weltweit, sind also in Deutschland nicht anders als in den USA oder in Indien.

Plastik ist zunächst keinesfalls gleich Plastik. Genau das hat ja die Chemieingenieure von einst so begeistert, dass man durch Veränderung der chemischen Strukturen Stoffe mit einer großen Breite von Eigenschaften erzeugen kann. Da gibt es strapazierbare weiche Folien neben hartem Plattenmaterial und vieles mehr. Ein Material lässt sich extrem biegen, das andere bricht schon beim ersten Versuch. Genau die Vielfalt der Materialien bedeutet aber, dass sie eben nicht zusammen zu einem neuen Grundstoff recycelt werden können. Das sortenreine Sammeln ist schlicht unmöglich. Unterschiedliche Kunststoffe lassen sich unter extremem Druck wieder zu einer erdölähnlichen Grundmasse verschmelzen, wie schon die epische Sendung mit der Maus gezeigt hat, aber Verfahren hierzu sind völlig unwirtschaftlich und über Experimente nie hinausgekommen.

Zu diesem Kernproblem kommen die Schwierigkeiten in der Umsetzung hinzu: Die Milliarden an Plastikteilen sind mühsam einzusammeln, die Trennung von anderem Müll maschinell nicht wirklich effizient. Der Plastikabfall ist in der Regel nicht sauber, sondern kann gesundheitsschädliche Anhaftungen haben, und das Ganze ist am Ende überhaupt nicht wirtschaftlich.

Die Suche nach „Recyclingquote“ kann verwirrend wirken

Ja, klappt denn das Plastik-Recyclen gar nicht? In den USA scheint es darauf hinzudeuten. Wie ist die Lage in Deutschland, wir machen doch alles besser? Wer dieser Frage nachgeht, stößt zunächst einmal auf widersprüchliche Angaben. Wir haben Google nach „plastik recyclingquote deutschland“ gefragt, gleich die beiden ersten Fundstellen sind verwirrend (dazu „ähnliche Fragen“ aufklicken), siehe Bild. Offensichtlich gibt es viele Zahlen zur selben Frage. Die erste Antwort macht uns stolz: 82% beziehungsweise 94% sind tolle Zahlen – aber von was? Man muss es genau lesen: Aus der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoff selber, also in der Industrie, die Kunststoffe herstellt. Da sind 82% dann auf einmal eine erschreckend niedrige Zahl, vergleichbar einem Bauern, der beim Abfüllen von 100 Litern Kuhmilch 18 Liter danebenkippt. In der Herstellung müssten längst 100% der Stoffe verarbeitet und genutzt werden. Und von dem, was in die industrielle Verarbeitung geht, werden noch einmal 6% nicht verwertet. Auch hier müsste die Quote 100% sein, denn hier sind die Stoffe allesamt noch sortenrein verfügbar, wenn nicht unverwertbares „Sandwich“ Material entstanden ist. Beides zusammengenommen würde bedeuten, dass nur 77% der Ausgangsstoffe überhaupt im Markt ankommen. Aber diese Zahlen haben noch nichts mit dem Plastikmüll zu tun, den wir von der Verbraucherseite her meinen.

Damit sind wir endlich bei dem Müll, den wir produzieren und – hoffentlich – anschließend getrennt im gelben Sack oder der gelben Tonne „entsorgen“. Das Wort ist irreführend, denn jetzt fangen die Sorgen mit dem Produkt ja gerade erst an. Zunächst darf man nicht, wie man denken sollte, jedes verwertbare Plastikmaterial in den gelben Sack tun. Wenn ich meinen Haushalt nehme, fällt gefühlt ein Drittel der Rohstoffe unter dieses Einwurfverbot, weil es kein DSD Symbol trägt, eine Zahnbürste, ein Gummiband oder sonst etwas ist. Hiervon wird ein Teil sortiert, der größte Teil aber schlicht verbrannt. Das recyclingfähige Material reduziert sich nochmals, in der Regel ist es als Gemisch für minderwertige Anwendungen nutzbar, nur ein extrem geringer Teil landet wirklich als sortenreiner Rohstoff dort, wo genau dieser Rohstoff erneut hergestellt wird. Diese Quote ist aber das eigentliche Ziel. Metalle oder Glas können mehrfach eingeschmolzen und wiederverwendet werden, weil hier die sortenreine Trennung wesentlich einfacher ist. Beim Kunststoff gehen die Schätzungen bis herunter auf 5% oder 6% der produktreinen Verwertung. Eine solche Zahl ins Verhältnis gesetzt zur täglichen Produktion gibt einen Eindruck des wirklichen Problems.

Plastikabfälle vermüllen unsere Umwelt, unsere Flüsse und Meere. Dafür gibt es heute keine Lösung. Ein Teil der Zukunft liegt in der Entwicklung von biobasierten Kunststoffen, aber wenn die Eigenschaften insbesondere der Nicht-Abbaubarkeit sonst gleich sind, ersetzen wir nur den Ausgangsstoff Erdöl und lassen die Umweltschäden am Ende gleich. Dazu müssten Bio-Plastiktüten ebenso schnell verrotten wie Papier und dabei wirklich zu einem Stoff zerfallen, den Regenwürmer und andere Bodenlebewesen gerne mögen und auch vertragen.

Der Philosoph Günther Anders hat globale Probleme dieser Art vor siebzig Jahren in der These zusammengefasst: Wir sind der Komplexität der von uns geschaffenen Produkte nicht mehr gewachsen. Die Produktion und Nutzung von Kunststoffen in der heutigen Form geht nicht. Die massenhafte Herstellung und Ausbringung von Stoffen, die nicht in den biologischen Kreislauf passen, muß enden.

Quellen und zusätzliche Hinweise: (Nur zur Information. Eigene Aussagen der jeweiligen Herausgeber. ISSO identifiziert sich nicht mit sämtlichen Inhalten!)
https://www.greenpeace.org/usa/news/new-greenpeace-report-plastic-recycling-is-a-dead-end-street-year-after-year-plastic-recycling-declines-even-as-plastic-waste-increases/
https://www.greenpeace.org/usa/reports/circular-claims-fall-flat-again/
https://www.bmuv.de/meldung/das-bmu-klaert-auf-zum-thema-plastikrecycling
https://www.forum-csr.net/News/18151/%E2%80%9EDer-Anteil-an-Kunststoff-aus-fossilen-Rohstoffen-ist-noch-deutlich-zu-hoch.html
https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/recycling-plastik-muell-verpackung-100.html

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