Am Donnerstag dem 12.12.2019 lud das ISSO-Institut zur Pressekonferenz ins Dreikönigenhaus ein. Thema war das eigens initiierte Projekt WINN-RLP zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Rheinland-Pfalz. An der Initiative hatten 20 Wissenschaftler namhafter Universitäten mitgewirkt, was in dieser Form bisher einmalig in Deutschland ist. Nun wollte man die Ergebnisse der einjährigen Arbeit vorstellen. Zu den Anwesenden zählten neben Martin Görlitz und Beatrix Sieben (ISSO) Prof. Dr. Hans Diefenbacher (FEST Heidelberg), Dr. Nadine Kammerlander (WHU – Otto Beisheim School of Management), Prof. Dr. Henning Pätzold (Universität Koblenz) und Michael Frein vom Wirtschaftsministerium.


Eröffnet wurde die Pressekonferenz durch Martin Görlitz, Stifter und Gründer des ISSO, das sich als Transferinstitut für nachhaltigkeitsorientierte Fragestellungen in Rheinland-Pfalz versteht. Nicht zuletzt mit diesem Projekt belegt es seine Schnittstellenfunktion zwischen Hochschulen, Ministerien und Gesellschaft. “Wir möchten Prozesse der Wissensintegration und der Partizipation aktiv gestalten”, erklärte Martin Görlitz und betonte, es gehe dabei vor allem um konkrete, praktische Arbeit. “Lassen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen Aktionen ableiten? Welche Leitlinien sollte die Politik setzen? Wir müssen rein ins Handeln. Daher ist es notwendig, dass noch mehr Akteure der Gesellschaft zusammenwirken.”

Aus diesem Grunde seien Workshops mit Stakeholdern in Planung. Beatrix Sieben ergänzte: “Der erste Workshop wird am 27.01. in Mainz stattfinden. Ein zweiter Termin wird offener ausgelegt sein, so dass auch Vereine und weitere Interessierte daran teilnehmen können. Diesen Termin werden wir noch bekanntgeben.”

Michael Frein vom Wirtschaftsministerium hob hervor, dass das beeindruckende Projekt auf die Initiative des ISSO zurückgehe. “Ich möchte meinen Dank ans ISSO und vor allem Herrn Görlitz aussprechen. Auch danke ich den 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. So einen interdisziplinären Prozess hat es, bundesweit betrachtet, noch nicht gegeben!” Der Politiker blickte auf die Entstehung und den Verlauf des Projektes zurück. “Wir können stolz sein in Rheinland-Pfalz. Nachhaltigkeit ist ein Kernthema, mit dem wir uns seit 2001 intensiv befassen und durch Indikatorenberichte bis jetzt ununterbrochen durchgezogen haben. Das ISSO liefert einen wichtigen Diskussionsbeitrag. Nun müssen die Ideen und Vorschläge überprüft werden. Wir sprechen hier von der Agenda 2030.”

Das schien das passende Stichwort für Prof. Dr. Hans Diefenbacher von der Universität Heidelberg zu sein. “Eigentlich möchten wir die Dinge schneller angehen, aber manches braucht Zeit in der Umsetzung. Zudem muss man auch einsehen, dass man sich mit einigen Dingen bewusst Zeit lassen sollte, weil sich aktuell noch nicht abbildet, ob die Ideen tatsächlich sinnvoll sind”, so der Wissenschaftler. Seiner Ansicht nach, komme es auf die Verortung der Strategie an. “Das Verfahren muss mit Partizipation regelmäßig überarbeitet werden und benötigt einen institutionellen Ort.” Würde sich dafür nicht das ISSO in Koblenz anbieten?

Prof. Dr. Diefenbacher fordert eine sinnvolle Finanzierung und die Einsicht, dass die Universitäten eine Vorreiterrolle übernehmen sollten. Auch an dieser Stelle dürfte jeder anwesende Koblenzer an den Florinsmarkt gedacht haben. Koblenz könnte sich mit diesem Thema einen Namen machen.

Schwierigkeiten sieht der Experte insbesondere in den folgenden Bereichen

  • Mobilität (Die Wissenschaftler empfehlen aufgrund der Komplexität dieses Themas den Einsatz eines neuen Gremiums.)
  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden bisher strikt getrennt betrachtet und in der Öffentlichkeit thematisiert. Es sei jedoch wichtig, beide zusammen zu betrachten und sich damit auseinanderzusetzen.
  • Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte bereits im Kindergarten beginnen.
  • Man sollte demokratieverträglich vorgehen.
  • Umsetzung geht nur mit einer Deploymentstrategie.


Martin Görlitz 
erläuterte, dass die Wissenschaftler in Arbeitsgruppen unterteilt waren. Man hatte sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht, um die Experten fachübergreifend zusammenarbeiten zu lassen. “Wir haben die Unterteilung in Ökologie, Ökonomie sowie Soziales berücksichtigt und als vierte Säule die Kultur genommen. Denn bei Nachhaltigkeit geht es um das Verändern des kulturellen Handelns. Doch wie bekommt man das hin?”

Damit erhielt Prof. Dr. Henning Pätzold (Universität Koblenz) das Wort. “Ich respektiere den Mut des Landes Rheinland-Pfalz, Wissenschaftlern zu erlauben auf alles so genau draufzuschauen und diese Arbeit mitzufinanzieren”, begann er. Dabei betonte der Organisationspädagoge, das Zeitalter der Transformation betreffe auch die Wissenschaften. Denn diese müssten sich ebenfalls verändern. So gäbe es auf der gesellschaftlichen Ebene die “Fridays for Future” und auf der Seite der Wissenschaft die “Scientists for Future”. Pätzold: “Kinder und Jugendliche gehen auf die Straße und wollen Antworten von der Wissenschaft. Das ist eine Herausforderung.”

Der Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass man in fächerübergreifenden Gruppen zusammenarbeiten muss, um die komplexen Themen der heutigen Zeit sinnvoll angehen zu können. Er blickt dankbar auf das Projekt zurück.

“Es war für uns sehr besonders, weil unsere Erkenntnisse nicht im jeweiligen Fachbereich landen, sondern bei der Landesregierung.” Der Professor ist sich sicher, dass die öffentliche Diskussion auf einem höheren Niveau stattfinden müsste, die Beteiligten also nicht in ihrer Rolle als Fans bestimmter Parteien oder Organisationen diskutieren sollten. Dabei müsse auch die Wissenschaft noch lernen und da er wisse, dass solche Projekte eine Finanzierung erforderten, schloss er mit dem Zitat: “If you think education is expensive, try ignorance.”

Dr. Nadine Kammerlander von der WHU in Vallendar ging auf die Sichtweise der Jugend ein: “Wenn ich mit jungen Menschen spreche, sagen viele, die Wirtschaft sei das Problem. Doch immer mehr sagen auch, die Wirtschaft müsse Teil der Lösung werden.” Sie wies auf die steigende Anzahl sozialer Start-ups hin, die sich Umweltthemen oder der Inklusion widmen. “Auch viele mittelständische Unternehmen engagieren sich sozial, ohne darüber zu sprechen. Das sind wunderbare Einzelfälle, und mich motiviert, dass aus diesen Einzelfällen Normalfälle werden”, so Kammerlander. Warum die Wissenschaftlerin sofort zugestimmt hatte, am vom ISSO initiierten Projekt teilzunehmen? Hier ihre Gedanken dazu:

  1. Wir Wissenschaftler sprechen unterschiedliche Sprachen. Die fachübergreifende Zusammenarbeit zwang uns, eine gemeinsame Sprache zu finden. Das war eine tolle Erfahrung.
  2. In der Diskussion rund um Nachhaltigkeit braucht es mehr Fakten. Die Wissenschaft kann diese liefern.
  3. Gesellschaftlicher Beitrag. Die Wissenschaft war noch nicht oft genug für die Gesellschaft da.

“Diese Initiative gibt uns Wissenschaftlern die Möglichkeit, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Sollte das Projekt weitergeführt werden, bin ich sehr gerne dabei.” (Dr. Nadine Kammerlander)

Nachhaltigkeitsstrategie war Thema der Presskonferenz, und es überraschte wohl niemanden, dass es sich hierbei um ein komplexes Themenfeld handelt. Die anwesenden Wissenschaftler schienen sich nicht nur darin einig zu sein, dass man aller Komplexität zum Trotz keine Angst vor der Zukunft und den Herausforderungen haben sollte. Prof. Dr. Pätzold verglich die aktuelle Situation mit einer Reiseplanung.

“Wer eine Reise plant, weiß auch nicht, ob alles gutgehen wird, ob das Hotel wirklich passt und sich vor Ort alles so entwickeln wird, wie man es sich vorstellt. Niemand weiß, ob er glücklich und zufrieden aus dem Urlaub zurückkehren wird. Trotzdem bleiben wir nicht zu Hause sitzen, sondern sind zuversichtlich, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Wir informieren uns, planen und tun es.”

Alle Informationen zum Projekt WINN-RLP sowie das vollständige Dokument finden Sie auf www.isso.de/winn. Den Beitrag des SWR zum Projekt finden Sie in der SWR-Mediathek – über WINN wird ca. ab Minute 03:30 berichtet.

Autorin/Fotos: Alexandra Klöckner

 

Beteiligte Institutionen:

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