Donnerstagabend in der Koblenzer Altstadt. Im ersten Stockwerk des Dreikönigenhauses brennen Lichter. Die Räume füllen sich, und auch im Flur stehen Gäste. Gekommen sind sie zu “Out of the box”, einer Veranstaltungsreihe, bei der spannende Persönlichkeiten aus dem Nähkästchen plaudern und Tipps aus ihrer Unternehmensgeschichte geben.

Im Rückblick: Thema des Abends war das Netzwerken. Warum ist Netzwerken sinnvoll, und wie stellt man es richtig an? Bei den Podiumsgästen handelte es sich um die Wissenschaftlerin Prof. Nadine Kammerlander (WHU; Top 40 under 40), den erfolgreichen Unternehmer Ivica Varvodic (Modix) und den Startup-Gründer Lucas Weiper (GoContract). Moderiert wurde die Veranstaltung von der innovativen Unternehmerin Julia Kasper (Holzgespür).

Gastgeberin Beatrix Sieben eröffnete den Abend. Als Geschäftsführerin des ISSO hieß sie alle Teilnehmenden herzlich willkommen und stellte das Institut kurz vor. “Wir möchten junge Menschen erreichen, die die Zukunft verantwortungsvoll mitgestalten wollen und sind ein Ort für soziales Unternehmertum. Nicht zuletzt dafür steht der Begriff Oikonomics in unserem Namen. Uns liegen Nachhaltigkeit und zukunftsfähiges Wirtschaften am Herzen, deshalb arbeiten wir mit Hochschulen zusammen, um dieses Thema voranzutreiben – nicht gegen die Wirtschaft, sondern gemeinsam mit der Wirtschaft”, betonte sie. Von ihr erfuhren wir auch, was die schön gestalteten, aber noch relativ leeren Tafeln an einer Wand zu bedeuten hatten. Tom Fiedler, ein Visual Facilitator, würde die Inhalte des Abends in Form von Graphic Recording festhalten. Fiedler selbst beschrieb sein Vorhaben wie folgt:

Tom Fiedler bei #outofthebox im ISSO-Institut. #graphicrecording pic.twitter.com/sxUX4VNvjR

— Alexandra Klöckner (@AlxndrKloeckner) December 20, 2019

 

Wie baue ich (m)ein Netzwerk auf und aus?

Den ersten Impulsvortrag des Abends hielt Dr. Nadine Kammerlander, Leiterin des Instituts für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Die Wirtschaftswissenschaftlerin erläuterte zunächst, warum Netzwerken überhaupt wichtig ist und betonte dabei, dass insbesondere Social Entrepreneurs auf gute Netzwerke angewiesen seien. Knapp zusammengefasst:

  1. Man hat nicht nur ein Netzwerk, sondern mehrere (themenspezifisch, lokal oder international, etc.).
  2. Es ist wichtig, zwischen strong und weak ties zu unterscheiden und dementsprechend mit den Kontakten umzugehen.
  3. Man sollte wissen, wen man nach Input fragt. Nicht zu viele Menschen fragen, sondern vor allem diejenigen, denen man vertraut.
  4. Nur was sichtbar ist, ist bekannt. “Wer einen Award bekommt, sollte das auch öffentlich kommunizieren.”
  5. Mit regelmäßigen, guten Inhalten sorgt man für Sichtbarkeit. Das können fundierte Kommentare oder Texte sein. Man macht sich zum Experten im Netzwerk.

“Es gibt den Mythos: Mit je mehr Leuten ich spreche, desto besser. Das ist jedoch nicht richtig. Zu viele Meinungen können uns überfordern. Sinnvoller ist, sich gut zu überlegen, wen man fragt.” (Dr. Nadine Kammerlander)

Startup-Ecosystem

Anschließend übernahm Julia Kasper den Platz auf der Bühne. Die junge Unternehmerin (Holzgespür) hatte im Rahmen Ihrer Masterarbeit an der WHU die Koblenzer Startup-Szene unter die Lupe genommen und unter anderem mit einer Stadt in Denver verglichen, in die sie gereist war. Einen Überblick ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse stellte sie dem Publikum vor.

Sie fragen sich, was ein Startup-Ecosystem ist? Darunter versteht man die Interaktion zwischen Akteuren, die die Entwicklung und das Wachstum von Startups unterstützen. Wissen Sie, welche Startup-Ecosysteme als besonders gut gelten? Laut Global Startup Exosystem Report 2019 stehen Silicon Valley, New York City und London auf den ersten drei Plätzen. Berlin liegt direkt hinter Paris auf Platz 10. Doch wie sieht es in Koblenz aus? Julia Kasper erläuterte zunächst, welche Akteure in so einem System eine Rolle spielen:

1. Startups – 2. Investoren – 3. Unternehmen – 4. Universitäten – 5. Acceleratoren – 6. Instititutionen – 7. Medien – 8. Politik

Ist Ihnen bekannt, wie viele Startup-Spots es in Rheinland-Pfalz gibt? Es sind drei: Mainz, Kaiserslautern und Koblenz! Julia Kaspers hat zahlreiche Interviews mit Vertretern der hiesigen Startup-Szene geführt. Sie wollte herausfinden, wie die Akteure in Koblenz in Bezug auf das Startup-Ecosystem interagieren.

Positives Feedback erhielt insbesondere das TechnologieZentrum Koblenz, bekannt als das Zuhause vieler IT-Startups. Zwar seien die Startups gut miteinander vernetzt, dabei handele es sich jedoch um ein geschlossenes System. Es fehle eine zentrale Anlaufstelle, ein Koordinator und Aggregator für einzelne Aktivitäten, etc. Die Unternehmerin verfasste eine Liste mit “Learnings aus Koblenz” und hofft, dass sich hier noch einiges bewegen wird.

“In Koblenz gibt es eine Startup-Szene, die entwickelt werden kann. Obwohl bereits viel erreicht wurde, gibt es noch einen way to go.” (Julia Kasper)

Talkrunde: Erfolg durchs Netzwerken

Zusätzlich zu ihrem aufschlussreichen Vortrag moderierte Julia Kasper die komplette Veranstaltung. Nach den beiden Impulsvorträgen, ließ sie kleine runde Zettel im Publikum verteilen. Je nach Farbe fanden sich kleine Gruppen zusammen. Auf diese Weise bekam jeder die Möglichkeit, sich mit den anderen über das eigene Verständnis vom Netzwerken und Gründen auszutauschen und eventuell neue Kontakte zu schließen. Dem folgte eine Podiumsdiskussion. Zu den Teilnehmern gehörten Startup-Gründer Lucas Weiper (GoContract), Prof. Nadine Kammerlander und Unternehmer Ivica Varvodic (Modix). Alexander Erdlei hat das gesamte Gespräch gefilmt. Wer mag, kann es sich hier anschauen:

“Wenn man vom Gründen von vor 20 Jahren erzählt, ist das als ob man vom Krieg sprechen würde. Es hat sich sehr viel verändert seitdem.” (Ivica Varvodic)

Ivica Varvodic erinnerte sich an seine Anfänge zurück. Er habe damals kaum Zeit für seine Familie gehabt und genieße daher jetzt jeden Moment mit seinem Sohn umso mehr. “Wer ein Unternehmen gründet, muss rund um die Uhr arbeiten”, sagte er.

Junge Gründer stellen sich vermutlich die Frage, zu welchen Veranstaltungen sie gehen sollen. Immerhin müssen sie eigentlich jede Minute in ihr Unternehmen investieren. Soll man also zu jedem Event gehen oder sich doch lieber nur selten blicken lassen?

“Am Anfang bin ich zu jeder Veranstaltung gegangen.” (Lucas Weiper)

Nadine Kammerlander empfiehlt zwischen Inhalt und Teilnehmern zu unterscheiden und sich zu überlegen, ob einen das Thema interessiert und ob Personen an der Veranstaltung teilnehmen, die man als Kontakte gebrauchen könnte. Auch Kontaktpflege gehöre dazu. “Man benötigt Gründe, um dorthin zu gehen. Deshalb muss man sich unter anderem fragen: Was ist mein Anliegen?”, so Kammerlander.

Die Veranstaltung “Out of the box” hat sich jedenfalls gelohnt. Das belegen zum einen die von Tom Fiedler gestalteten Tafeln (Instagram) und zum anderen die Tatsache, dass die Teilnehmenden am Ende nicht sofort nach Hause gingen, sondern das “Gründerglühen” im Lichthof des Dreikönigenhauses genossen. Bei diesem Event handelt es sich um eine Tradition der Koblenzer Startup-Szene – in diesem Jahr gefördert von der Koblenzer Wirtschaftsförderung. Passender Nebeneffekt: Das bei “Out of the box” theoretisch behandelte Thema Netzwerken konnte bei Glühwein und Häppchen direkt umgesetzt werden. Eine runde Sache also.

Autorin/Fotos: Alexandra Klöckner

„out of the box“ wird gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau.

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