Fernsehköche sind schon lange keine distanzierten Experten mit weißem Kragen und hoher Kochmütze mehr. Ihre Kochideen und handwerkliche Kunst dient nicht mehr vorwiegend der Abwechslung auf dem familiären oder festlichen Esstisch. Vielmehr befinden sie sich wie ihre Schauspieler- und Entertainerkolleg*innen auf einer „Kitchen Impossible“-Mission, ermitteln kritisch den Sieger der „Küchenschlacht“, gehen bei Lanz gegenseitig aufeinander los, betätigen sich als Coaches für weniger erfolgsverwöhnte Kolleg*innen oder stellen sich (angeblich) ganz in den Dienst des Weltklimas und der Nachhaltigkeit. Auf jeden Fall sind sie hip, wortgewandt und die Verkörperung eines neuen kulinarischen Lifestyles. Und wenn dies das Alter oder das Aussehen nicht zulässt, so ist man zumindest als lustige, Zoten reißende, eigenwillige Persönlichkeit mit Regionalbezug dem Fernsehpublikum bekannt.
Allein diese Aufzählung zeigt den Status heutiger Fernsehköche als Medienpopstars. Sicherlich sind schon längst Namen wie Johann Lafer, Tim Mälzer, Steffen Henssler, Jamie Oliver, Alfons Schuhbeck oder Horst Lichter im Kopf des Lesenden. Aber nicht nur der Starkult dieser Küchenhelden scheint die Einschaltquoten krisensicher und konstant zu halten. (Warum ist eigentlich kein Frauenname dabei?) Es ist ferner der Sportsgeist und das allgemeine Vergnügen daran, Protagonisten wie Du und ich beim Gewinnen und vor allem beim Scheitern zusehen zu können. „Das perfekte Dinner“ oder „die Küchenschlacht“ führen dies bereits seit Jahren vor. Sie haben ‚den seichten Talk mit vollem Mund‘ bei „alfredissimo“ jedoch nicht gänzlich verdrängt, wie Youtube-Klickzahlen oder morgendliche Wiederholungen bei der ARD zeigen.
Der Vortrag von PD Dr. Stefan Meier, Universität Koblenz-Landau, ging also den Fragen nach: Was ist das Faszinierende dieser medialen Inszenierung des Kochens, und wie werden die Kochpersönlichkeiten zu Stars gemacht? Und vor allem, was lernen wir Zuschauenden daraus, was schauen wir uns ab? Welche Werte werden vermittelt?
Die Kampfarena Küche vermittelt Vertrautheit und die Utensilien sind wiedererkennbar. Ob Schlacht oder Duell, die Profis werden zu Helden gemacht, die einerseits unerreicht und andererseits besiegbar sind, dann wenn sie gegen andere Profis antreten oder auch schon einmal von Laien besiegt werden. Einfachheit und bekannter Wettbewerb faszinieren uns Normalbürger ebenso wie die Sehnsucht nach Anerkennung und Erfolg, das greift auch dieser Starkult auf. So verwundert keinen das Fazit der Veranstaltung: Hier geht es nicht um Kochen und den Austausch von Kochrezepten im eigentlichen Sinne, es wird erfahrungsgemäß sehr wenig nachgekocht aus den Sendungen, es geht vor allem um Spaß, Spannung und Unterhaltung. Also wachsam bleiben und gut überlegen, ob ich statt einem perfekten Häppchen, wie im „Taste“ auf den Leim gehe oder mir selbst die Freude am Kochen erhalte und auch den Geschmack von Bratkartoffeln zu schätzen weiß, die ich in der eigenen Küche herstelle. Selber kochen bleibt die Devise und sich das Kochen nicht verleiden lassen. Perfektion ist fehl am Platz. Schmackhafte Mahlzeiten entstehen auch mit einfachen Zutaten. Statt sich verschrecken zu lassen, von einem Anspruch der uns klein macht, bleibt es an uns zu entscheiden, dass die Küche nicht nur ein optischer Augenschmaus sein soll, sondern weiterhin ein Arbeitsraum in dem gebrüht, gedämpft, gekocht, gebraten und gegessen wird. Gerne auch gemeinsam „Guten Appetit“.
Zur Person des Vortragenden:
PD Dr. Stefan Meier ist Medienwissenschaftler an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz. Er verfasste Bücher und zahlreiche Aufsätze zu den Themen digitale Kultur und Internet, populäre Medienkultur, Mediensemiotik, Medientheorie und -geschichte sowie visuelle Kommunikation und Bild in analogen und digitalen Medien. Wichtige Buchtitel sind „(Bild-)Diskurs im Netz“ (2008/14) und „Visuelle Stile“ (2014). Er ist selbst engagierter Hobbykoch und verfolgt die kulinarische Fernsehlandschaft seit vielen Jahren somit professionell-wissenschaftlich und laienhaft-nachahmend. Dabei faszinierte ihn schon immer das Phänomen des „Passivessens“, sprich die Unterhaltung am Essen als Medieneventkultur.