Ein Jahresende regt dazu an, Bilanz zu ziehen, einen Blick auf das große Ganze zu werfen. Als Organisation, die sich der Förderung eines nachhaltigeren Lebens insgesamt widmet, ist es für ISSO spannend, in einem außergewöhnlichen Jahr die Trends in diesem Bereich zu beobachten. Steigen oder sinken das Interesse und die Unterstützung von Nachhaltigkeit in der Bevölkerung? Wird die Klimakrise bedingt durch die Corona-Pandemie anders wahrgenommen oder bewertet?

Grund zur Hoffnung geben dieses Jahr die Ergebnisse der „Vermächtnisstudie 2020“. In dieser Befragung untersucht das Wissenschaftszentrum Berlin in Kooperation mit der ZEIT und dem infas Institut, was den Deutschen in allen Lebensbereichen wichtig ist: Welche Werte zählen, was soll an künftige Generationen weitergegeben werden?

In der Neuauflage der Befragung in 2020 kommen die Sozialwissenschaftler*innen unter anderem zu dem Ergebnis, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Gesellschaft steigt.
Auch zeigt sich eine größere Bereitschaft, die Wissenschaft ernst zu nehmen. Die Bewältigung der aktuellen Krise zeigt ja einen gemeinsamen Kraftakt von Wissenschaft und Politik. Können wir also handeln, wenn wir nur wollen? Gleichzeitig wünschen viele Menschen sich „klare Ansagen“ der Politik zu Fragen wie dem Klimaschutz, ähnlich zur Regierungspolitik zu Beginn der Corona-Pandemie.

Im Angesicht neuer Handlungsspielräume und sichtbarer staatlicher Aktivität erscheint also auch eine konsequente Klima- und Nachhaltigkeitspolitik plötzlich realistisch. Lösen wir nun also durch die Pandemie unsere Blockade? Schon Ende der 70er Jahre thematisierte Hans Jonas „Das Prinzip Verantwortung“ und rief dazu auf, Entscheidungen stets auf der Grundlage ihrer Konsequenzen für die Zukunft abzuwägen und zu treffen. Das ist lange her. Viele Wissenschaftler mühen sich seither darum, gehört zu werden. Ernst Ulrich von Weizäcker wirbt für eine „Aufklärung 2.0“, welche die ökologischen Konsequenzen unseres Wirtschaftens nicht länger ausblendet. Die bisherige Stagnation zu überwinden und ins Handeln zu kommen, das wäre also mehr als wünschenswert.

Ob es dazu kommt, bleibt völlig offen. Nicht nur steht im nächsten Jahr eine Bundestagswahl an, es wird – das betont die WZB-Präsidentin und Soziologin Jutta Allmendinger – auf die Aktionsbereitschaft der Zivilgesellschaft ankommen. Wichtig bleibt also, dass die Nachhaltigkeitsbewegung ihre diversen Anliegen weiterhin in den politischen Diskurs einbringen. Dazu braucht es konsequente Arbeit von der Graswurzelmobilisierung auf Fridays For Future-Demonstrationen bis hin zur direkten politischen oder auch unternehmerischen Verantwortungsübernahme. Allmendinger äußerte sich dazu in der ZEIT vom 16.12.20 wie folgt: „Unsere Studien zeigen, dass sich die Menschen auch beim Klimaschutz sehr klare Ansagen von der Regierung wünschen, so wie sie das staatliche Handeln in der Corona-Krise befürworten. Und ein weiterer Bereich ist ihnen wichtig: das soziale Miteinander. Da fürchten viele den Verlust von Zusammenhalt, gegenseitigem Verständnis und Vertrauen. Wir brauchen nicht nur technische Innovationen, sondern hauptsächlich soziale. Und damit tun wir uns schwer. Deutschland zeichnet sich durch technische Innovationen aus. Soziale Innovationen aber fallen bei uns oft unter den Tisch. Da haben wir auch 2020 keine Fortschritte gemacht, eher Rückschritte.“

Auch wenn uns gerade in der Corona-Pandemie die Digitalisierung dabei unterstützt, dass sich ältere Menschen weniger einsam fühlen, zeigen viele Studien dennoch, dass neue Kontakte und echte Begegnungen alle unsere Sinne benötigen. Der zweidimensionale Bildschirm reicht vielleicht aus, wenn die Leute sich bereits kennen.

Dass wir aber auf die Krise angewiesen sein sollen, um den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, ist ein Armutszeugnis. Hier hätte sich die Soziologin Allmendinger eine deutlichere Kommunikation seitens der Politik gewünscht. Diese hätte die Notwendigkeiten mit deutlich mehr Nachdruck vermitteln müssen, im Dialog mit den Menschen.

Nun kommt es darauf an, was alle Beteiligten aus den neuen Erkenntnissen machen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind bereit für eine enge Zusammenarbeit mit der Politik. Das hat auch die im Vorjahr von ISSO für Rheinland-Pfalz ins Leben gerufene WINN Initiative gezeigt. Es kommt darauf an, diese Zusammenarbeit dauerhaft und nachhaltig zu etablieren. Dafür braucht es die Bereitschaft und das Selbstverständnis, was durch die Corona-Pandemie nun entstanden sein könnte.

Denn: Ob eine neue Erkenntnis auch mit anderem Verhalten einhergeht und wir als Gesellschaft oder als Einzelne wirklich etwas ändern, das können wir uns nur selbst beweisen. Diese Erkenntnisse ermutigen und bestätigen uns bei ISSO in unserer Arbeit – wir freuen uns darauf, uns im nächsten Jahr mit Ihnen weiter gemeinsam zu engagieren!

Quelle ZEIT vom 16.12.
Quelle Vermächtnisstudie
LINK: Vermächtnisstudie, WINN, Zeit.de

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