In der derzeitigen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Krise gibt es zwei unterschiedliche, scheinbar widerstreitende Betrachtungen: Umfangreiche staatliche Investitions- und Konjunkturprogramme sollen die Wirtschaft schnellstmöglich wieder zum Laufen bringen. Dafür müssen immense Schulden aufgenommen werden, und wenn die Programme ökologisch sinnvoll ausgerichtet werden, dann hat auch der Klimaschutz etwas davon.

Andere sehen die Wirtschaftskrise als eine Chance und Gelegenheit, unser Wohlstandsmodell grundsätzlicher zu hinterfragen und Wirtschaft neu zu denken: Wozu brauchen wir Wachstum? Was verstehen wir unter Fortschritt und Innovation? Gibt es zwischen Markt und Staat nicht auch ein Drittes, die Gemeingüter?

Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim. Er forscht und berät zu einem breiten Spektrum von Themen, von Finanz- und Wirtschaftspolitik, über Arbeitsmarkt- und Handelspolitik, sowie makroökonomische Stabilisierungspolitik. Aktuell ist er Gastprofessor im Finanzministerium, wo er einen Einblick in die Krisenbewältigungsstrategien des Ministeriums erhält.

Maja Göpel ist Politökonomin, Transformationsforscherin, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen und Honorarprofessorin an der Leuphana-Universität Lüneburg. Im Frühjahr 2019 zählte sie zu den Gründerinnen der Initiative „Scientists for Future“. 2016 veröffentlichte sie das Buch „The Great Mindshift“ zu einem neuen ökonomischen Paradigma. Ihr neues Buch „Unsere Welt neu denken – eine Einladung“ steht seit einigen Wochen an der Spitze der Bestsellerlisten.

Im Gespräch mit Maja Göpel und Tom Krebs sollen vor allem die Schnittmengen und Gemeinsamkeiten ihrer jeweiligen Perspektiven herausarbeitet werden. Ist eine produktive Synthese denkbar? Wie können wir in der aktuellen Krise unsere Wirtschaft auf einen neuen, besseren Pfad bringen? 

Der Moderator Joerg Haas führt im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung durch das Gespräch, indem er das aktuelle Konjunkturpaket und aktuelle wirtschaftliche Entscheidungen zum Thema macht. Die Diskussion hinterfragt das Konjunkturpaket und weist auf Möglichkeiten hin, aktuelle Maßnahmen als Anschub für eine gesellschaftliche Transformation zu nutzen. Diese Idee, die Krise als eine Chance für einen Anschub zu nutzen, lässt sich mit einigen praktischen Beispielen veranschaulichen. Doch passt dies zur konservativen Politik der Bundesregierung?

Ungenutzte Ressourcen durch die Kurzarbeit könnten sofort eingesetzt werden, um Weiterbildungen oder Umschulungen anzukurbeln. Zukünftig werden im Bildungs- und Gesundheitswesen mehr Beschäftige benötigt. Es werden weniger Beschäftige als jetzt in der Automobilbranche benötigt, was auch damit zu tun hat, dass die Herstellung und Wartung eines Elektromotors nicht den gleichen Personalaufwand benötigt wie der eines Verbrennungsmotors. 

Man ist sich einig, dass es bei Umschulungen dieser Art nicht unbedingt um die Fünfzigjährigen geht, doch Schulabgänger könnten direkt in den passenden und zukunftsrelevanten Bereichen landen. Wenn die Bundesregierung den unvermeidlichen Strukturwandel aktiv anspricht, kann der Staat ihn mit vielerlei Maßnahmen unterstützen. 

Einer überwiegend auf Konsum ausgerichteten Wachstumsstrategie könnten andere Formen des Wachstums entgegengehalten werden wie die Qualität und der Wert von sozialen Leistungen. Auch eine konsequente Steuerpolitik, die Schädliches besteuert und Ressourcenschonendes entlastet, muss gedacht werden. Vermögen und Land sollten vernünftig besteuert und zukünftig für Spekulationen unattraktiver werden. 

Als gemeinsamer Indikator könnte zukünftig Energie herausgestellt werden, da er auch die menschliche Energie umfasst, die durch Big Data und Digitalisierung viel transparenter erfassbar ist. Eine Ausweitung von grünen Investitionen lässt sich unter einem zukunftsorientierten Wachstum subsummieren. Die Diskutierenden sind sich einig, dass gebündelte Maßnahmen dieser Art die wirkliche Chance dieser Krise sind und eine nötige Transformation voranbringen könnten und halten dies für eine insgesamt wirksamere Vorgehensweise als die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.  

Teilnehmende:

Jörg Haas, Referent für Internationale Politik, Heinrich-Böll-Stiftung

Maja Göpel, Politökonomin, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen und Honorarprofessorin an der Universität Lüneburg

Tom Krebs, Professor für Makroökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim und Gastprofessor am Bundesfinanzministerium

Eine vollständige Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie auf Youtube (bitte beachten Sie hierzu unsere Datenschutzhinweise). 

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